Verkehrte Welt

Im Rahmen der achten "Internationalen Konferenz: Migration, Partizipation und Ausgrenzung" fand im VHS-Bildungszentrum am Domfreihof eine Podiumsdiskussion zum Thema "MigrantInnen in der Arbeitswelt" statt, zu der sich etwa 50 Zuhörer einfanden.

 Bei der Podiumsdiskussion über „Migration in der Arbeitswelt“ (von links): Thomas Geisen, Jürgen Stoldt, Nicolas Schmit und Gérard Eischen. TV-Foto: Frank Goebel

Bei der Podiumsdiskussion über „Migration in der Arbeitswelt“ (von links): Thomas Geisen, Jürgen Stoldt, Nicolas Schmit und Gérard Eischen. TV-Foto: Frank Goebel

Trier. 70 Prozent der Gewerbetreibenden in Luxemburg seien Ausländer, wobei gerade im Bankensektor eine hohe Qualifizierung notwendig sei, fasst Gérard Eischen von der luxemburgischen Handelskammer die ungewöhnliche Situation im Großherzogtum zusammen. Ohne Frage sei das Land auf die Migranten angewiesen. Das wiederholte der luxemburgische Minister für auswärtige Angelegenheiten und Immigration, Nicolas Schmit: Bisher habe die Bevölkerung mit dem starken Migrantenanteil kein Problem gehabt, da der luxemburger Arbeitsmarkt stabil gewesen sei. In den nächsten Jahren sei möglicherweise eine leichte Änderung zu erwarten. Er hoffe, dass der Diskurs über Identität zukünftig nicht "instrumentalisiert" werde.Der Soziologe und Politikwissenschaftler Thomas Geisen machte aus seiner kritischen Sicht auf die deutsche Migrationspolitik keinen Hehl: Europa leide in den nächsten Jahrzehnten unter einem eklatanten Fachkräftemangel, der selbst durch Migration nicht zu lindern sei. Für den "internationalen Kampf um Fachkräfte" brauche es "liberale, attraktive Angebote". Doch die meisten Gesetze, Geisen erinnerte an die gefloppte Green-Card für indische Informatiker, seien "restriktiv und unattraktiv". Allerdings war er sich sicher, dass "pragmatische Lösungen zunehmen" würden: Gerade der "Identitätsdiskurs", der eng mit der Idee des Nationalstaats zusammenhänge, müsse "angegangen" werden: Solange man beispielsweise Mehrsprachigkeit als Problem und nicht als Bereicherung ansehe, sei man auf dem falschen Weg.Beim Kapitel "Sprache" brachte der Diskurs über Luxemburg einige Kuriosa zutage: So werde das Erlangen der Staatsbürgerschaft von einer Sprache abhängig gemacht, die "am Arbeitsplatz kaum gesprochen" werde, erklärte Nicolas Schmit. Das neue Einwanderungsgesetz, dass voraussichtlich bald in Luxemburg verabschiedet werde, werde aber "die Sache einfacher machen."Eine Zuhörerin störte sich am Kalkül, mit dem über gewünschte, weil hochqualifizierte Migranten und die Unerwünschten gesprochen wurde. Ihre Frage, ob nicht auch gering Qualifizierte sich bilden können sollten, bejahte Nicolas Schmit. Allerdings sah er auch ein grundsätzliches Problem: Man wolle niemanden abschieben, auf der anderen Seite aber auch nicht den Effekt des "Brain Drain", beispielsweise aus Drittweltländern, fördern: "Wie kriegen wir es hin, dass die Akademiker auch wieder nach Hause gehen?"

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