Verstörend und oscarverdächtig

Seit gestern ist der Film "Der Baader Meinhof Komplex" bundesweit in den Kinos angelaufen. Im Trierer Cinemaxx sahen ihn die ersten Besucher bereits am Mittwoch und machten mit ihren Reaktionen deutlich, dass er viel Stoff zu Diskussion der jüngeren Geschichte liefert. Die Trierer Kinos bieten daher ein Rahmenprogramm an.

Trier. (ae) Seit Wochen ist der Film "Der Baader Meinhof Komplex" nach dem gleichnamigen Buch des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust Thema in den Medien. Entsprechend groß war die Neugier bei rund 250 Besuchern des Trierer Cinemaxx, sich schon einen Tag vor dem eigentlichen Filmstart ein eigenes Bild vom Drama um die Entstehung und Entwicklung des RAF-Terrorismus von 1967 bis 1977 zu machen. Einige von ihnen schilderten dem TV ihre Eindrücke.

Aus der Gruppe der eher rar vertretenen Zeitzeugen äußert sich ein 55-jähriger Arzt aus Frankfurt: "Der Film ist absolut oscarverdächtig, gut konzipiert, super gespielt, hervorragend in der Machart. Ich kenne Schauplätze und einige Personen, habe auch die Schleyer-Entführung vor Augen - das ist alles sehr realistisch wiedergegeben." Aus der im Publikum überproportional vertretenen Gruppe der Mittzwanziger meint eine Buchhändlerin (24): "Ich finde den Film prägend, er macht vieles klarer, als wenn man Fakten liest. Mir war nicht bewusst, dass es damals so viel Gewalt gab". Ihre Kollegin (30) sagt: "Schockierend, wie einzelne Menschen mit ihrem Charisma andere bis in Terror und Gewalt mitreißen. Das ist ein Lehrstück der Geschichte."

Diskussions- und Infoveranstaltungen



Ein 26-jähriger Student, der seinen Namen nicht nennen will, fand den Film sehr verstörend: "Der Terrorismus wird alles andere als verherrlicht, die Leute werden in ihrer ganzen Brutalität gezeigt." Ein gleichaltriger Kommilitone ergänzt: "Ulrike Meinhof wird mit ihrem Idealismus anfangs als Identifikationsfigur dargestellt, aber dann tun sich menschliche Abgründe auf. Als eine durchweg positiv gezeichnete Figur habe ich Horst Herold (damaliger BKA-Präsident) empfunden."

Ein dritter Student aus der Gruppe, ebenfalls 26, meint: "Man kennt Eckdaten, aber keine Hintergründe, nie sind sie einem mit solcher Eindringlichkeit gezeigt worden." Er werde jetzt das Gespräch mit seinen Eltern suchen, denn: "Wie die Stimmung damals war, war mir bis heute nicht klar, das war ja eine extreme Zeit."

Dem Diskussions- und Informationsbedarf kommen die beiden Trierer Lichtspielhäuser Cinemaxx und Broadway mit ergänzenden Angeboten entgegen: Das Cinemaxx bietet am Sonntag, 28. September, um 11.30 Uhr eine Sondervorstellung vor allem für Lehrer an, die von einem Infostand des Medienzentrums Trier und einem Kurzreferat zur RAF sowie der Bedeutung des Terrorismus in der deutschen Geschichte begleitet wird. Referent ist Johannes Dillinger, Buchautor zum Thema und zurzeit Lecturer für Geschichte der frühen Neuzeit in Oxford.

Das Broadway-Kino bietet nach seiner Umbaupause eine Veranstaltungsreihe an, die einen Vortrag des Trierer Kunsthistorikers Michael Friedrich über den Baader-Meinhof-Bilderzyklus "18. Oktober 1977" des Künstlers Gerhard Richter am 18. Oktober um 20 Uhr und eine Begleitfilmreihe beinhaltet. Ab 2. Oktober starten "Die bleierne Zeit", "Starbuck Holger Meins", "Black Box BRD", "Deutschland im Herbst" und "Stammheim" mit je vier Vorstellungen.

Termine im Internet unter www.broadway-trier.de

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