Vom Christkind zum Cola-Boten

Über den Tagen vor dem Weihnachtsfest lagen stets eine mystische Atmosphäre und ein Zauber, so wie der Schleier über dem Gesicht des Christkinds, das brave Kinder besucht und beschenkt. Viele freuen sich auf dieses Fest, bereiten sich auf vielfältige Weise darauf vor; andere bedauern, dass das Besondere des Festes verloren sei und erinnern sich an den Glanz vergangener Zeiten.

Daun. Man kann sagen was man will: Für mich waren die Adventswochen nach dem letzten Kriege anders als in der heutigen, hektischen Zeit, in der von einer besinnlich-ruhigen Weihnachtsfeier zur anderen gehetzt wird. Sie waren stiller und zugleich geheimnisvoller. Vielleicht, weil man Kind war und voller Erwartung auf den Tag des Christkinds wartete. Himmlische Boten schauten nachts in die Häuser

Die Vorfreude war groß, ganz anders als die auf den Nikolaus. War jener oft streng, schimpfend und polternd, so strahlte das Christkind in Weiß eine zarte Liebenswürdigkeit aus. Kein mahnendes Wort drang aus seinem verschleierten Gesicht. Es war einfach toll, dass das Christkind den Weg trotz der tief verschneiten Wege und des klirrenden Frosts zu uns gefunden hatte. Wir hatten ihm den Weg aber auch genau beschrieben auf den Wunschzetteln, die wir des Abends auf die Fensterbank legten und die auf geheimnisvolle Weise morgens verschwunden waren. Es war einfach fester Bestandteil unseres kindlichen Glaubens, dass himmlische Boten des Nachts in die Häuser schauten, um uns Kinder aufs Kommen des Christkinds hinzuweisen. Wie anders war es sonst zu erklären, dass sich mehr als einmal bereits süße Plätzchen in unseren Schuhen befanden. Und wenn diese mal leer blieben, dann hatte eben unser kindliches Verhalten die himmlischen Boten nicht erfreut. Sie waren vorbei gegangen, und unser Wille, braver und frommer zu werden, wuchs erneut. Denn uns war schon bewusst, dass man die Geschenke des Christkinds nicht ganz "umsonst" bekam. Es mussten einige Anstrengungen unternommen werden, um dieser würdig zu sein. Unaufgefordert wurde Holz aus dem Keller geholt, man machte freiwillig Botengänge oder übernahm Arbeiten, zu denen man uns sonst mehrmals auffordern musste. Auch die Lehrer in der Schule profitierten von den vorweihnachtlichen Vorsätzen. Sauberer und gewissenhafter waren die erledigten Hausaufgaben, Streitereien auf dem Pausenhof ließen nach, und man meldete sich häufiger. Man war ja nicht sicher, ob die Engel nicht doch bei den Lehrern Erkundigungen einzogen und deren Beurteilung die Erfüllung des Wunschzettels ganz entscheidend hätte beeinflussen können.Und am "Hellijen Oawend" (Heiligabend) kommt das Christkind. Dieser Brauch wird seit Generationen gepflegt, auch wenn er bei weitem nicht an das uralte Nikolausbrauchtum heranreicht. In der nahezu rein katholischen Eifel wurden die Kinder am Nikolaustag beschenkt, bekamen bestenfalls noch am Neujahrstag von den Pateneltern ein "Neujährchen", einen "Neujahrsweck" oder ein Geldstück. Weihnachten selbst war bestimmt von feierlichen Metten, religiösen Gesängen, Krippenbesuchen und besserem Essen im Familien- und Verwandtenkreis. Erst um 1900 drang nach und nach neben Adventskranz und Weihnachtsbaum auch der Brauch des Schenkens durch ein verkleidetes "Christkind" in die Eifeler Stuben ein. Mitgebracht wurde dies durch vorwiegend protestantische Preußen, die nach 1815 in die Eifel kamen. Und bei diesen hatte Martin Luther das "schenkende Christkind" erfunden. Immer rascher setzte sich dieses liebenswerte Brauchtum auch in der Eifel durch, wurde in jedem Dorf intensiv gepflegt. Doch scheint es so, dass es leider zunehmend im Verschwinden begriffen ist. Viele Familien finden sich nicht mehr, die sich für ihre Kinder das "Christkind bestellen". Zunehmend wird diese "verkleidete Frau mit ihren Engelchen" vom Cola-Weihnachtsmann verdrängt. Auch wenn heute die Vorweihnachtszeit in den Geschäften bereits im Herbst beginnt, die einst dunkle Adventszeit durch viele Lichterbäume in Vorgärten und auf Balkonen sich in ein Lichtermeer verwandelt, das Fernsehen geringe Festtagsstimmung aufkommen lässt, Tonträger Weihnachtslieder spielen, werde ich an Heiligabend versuchen, meinen Enkeln zu berichten, wie "Weihnachten" in unserer Jugend war, als das Christkind an der Tür klingelte - denn ich durfte diesen besonderen Weihnachtszauber erleben.

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