Vom Geschäftsführer zum Diakon

Der 15. Dezember ist ein wichtiger Tag im Leben von Hans Günther Ullrich: Er wurde im Dom zum Diakon geweiht. Das Ungewöhnliche an dieser Karriere: Hans Günther Ullrich ist 46 Jahre alt, promovierter Jurist und hat 16 Jahre in führenden Positionen in der Industrie gearbeitet.

 Hat sich für Gott und die Menschen entschieden und wird im Sommer zum Priester geweiht: Hans Günther Ullrich aus Olewig. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Hat sich für Gott und die Menschen entschieden und wird im Sommer zum Priester geweiht: Hans Günther Ullrich aus Olewig. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier-Olewig. Was bewegt einen Menschen, der als Geschäftsführer ein internationales Industrieunternehmen leitet, dazu, Priester zu werden? Hans Günther Ullrich aus Olewig hatte Mitte 2005 ein Schlüsselerlebnis: Ein wichtige Kunde fragte, wieso sein Betrieb die Produktion nicht nach Tschechien verlagere. "Da merkte ich, dass die Luft, um nichtmaterielle Werte zu verwirklichen, immer dünner wird; im System und auch für mich persönlich." Von Johannes Paul II. habe der von Kind an gläubige Christ gelernt, dass die von Gott gewollte Einzigartigkeit jedes Menschen mit einer Lebensaufgabe korrespondiert, für die er genau diese einzigartige Identität braucht. "Das ist der Kern. In der kapitalistischen Welt hingegen geht es nur noch um Geld." Doch es sei damals der falsche Zeitpunkt zur Neuorientierung gewesen. Ein Vertrauter sagte: "Wenn Gott etwas anderes will, wird er durch äußere Umstände sprechen."Er tat es im März 2006 mit der Kündigung. Bis dahin hat der heute 46-Jährige international Karriere gemacht. Nach Jurastudium und Promotion ging er 1990 zu einem Augsburger Autozulieferer. Drei Jahre später war er Personalchef von 1200 Mitarbeitern. Sein schönstes Projekt: "Ich habe die Produktion umstrukturiert, um das volle Potenzial der Arbeiter zu entfalten. Durch mehr Freiheit und Verantwortung auf Basis von mehr Information und Qualifikation." Das Religiöse ist dicht an der Oberfläche

Ab 1998 war er bei einem internationalen Autozulieferer in Esslingen mit der Globalisierung betraut. "Es war lehrreich und stressig. Ich war mal in 21 Tagen an 21 verschiedenen Orten auf der Welt." Als Vertriebsleiter strukturierte er den Betrieb um, verdoppelte den Umsatz und konnte trotz Rationalisierung die Mitarbeiter halten."Nach der Kündigung hatte ich Angebote großer Unternehmen auf dem Tisch, hätte einfach weitermachen können. Aber dann hätte in meinem Leben etwas Wichtiges gefehlt." Stattdessen habe er sich mit Bischof Reinhard Marx und Abt Benedikt vom Kloster Maria Laach beraten. "Dann war für mich klar, mich für den Dienst des Priesters zur Verfügung zu stellen." Da er im Zweitstudium Theologie studiert hatte, konnte er Ende 2006 in den Pastoralkurs im Trierer Priesterseminar einsteigen. "Ein Abenteuer, aber alle sind mit Offenheit und Hilfsbereitschaft auf mich zugegangen. Allen voran Regens Georg Bätzing."Während seines Praktikums in Liebfrauen hat er "Nightfever" initiiert. "Wir verteilten auf der Straße Teelichter an die Passanten und luden sie ein, in der Kirche Kontakt zu Gott aufzunehmen." Bei jeder der vier Aktionen kamen bis zu 1200 Leute. "Das war für mich die Bestätigung, dass das Religiöse ganz dicht unter der Oberfläche ist." Es zeige, die Kirche müsse ihre Sendung an alle richten, nicht nur an die, die schon da seien. "Die Aufgabe unserer Zeit ist, eine Brücke zu schlagen von der Mitte der Gesellschaft zur Mitte des Glaubens. Das ist ein faszinierender Auftrag. Dem möchte ich mich stellen."

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