Vom Schandfleck zum Schmuckkästchen

Trier · Genau heute vor zehn Jahren ging mit dem Einzug der städtischen Einrichtungen ins Palais Walderdorff einer der längsten und härtesten kommunalpolitischen Konflikte Triers zu Ende. Der Verkauf des Palais für eine D-Mark an die Koch-Stiftung sorgte im Gefolge der Neugestaltung des Domfreihofs für heftige Gemütswallungen.

Fast ein Jahrzehnt lang war die beschauliche Fläche am Dom samt den Gebäuden drumherum eine Art Kriegsschauplatz in Sachen Stadtentwicklung. Bis Mitte der 1990er Jahre tobte ein erbitterter Kampf um die Platzgestaltung, vor allem um das Fällen mehrerer älterer Platanen. Danach schlossen sich heftige Gefechte um die Sanierung des damals noch städtischen Palais Walderdorff an.

Bröckelnde Fassaden bedrohten Pilger



Der Riesen-Gebäudekomplex zwischen Hauptmarkt und Domfreihof gammelte vor sich hin, weil der klammen Stadt das Geld für eine Generalsanierung fehlte. Die Schäden mehrten sich Jahr für Jahr, und Alt-OB Schröer erzählt heute noch mit Schaudern von hässlichen Notsicherungs-Netzen, die verhindern sollten, dass herabfallende Fassadebrocken Pilger bei der Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 erschlagen könnten.

Die Lösung nahte in Gestalt der Nikolaus-Koch-Stiftung, die auf der Suche nach soliden Immobilien zwecks Absicherung ihres Stiftungs-Vermögens war. CDU-Mann Schröer und sein SPD-Stadtvorstands-Kollege Dietze handelten einen spektakulären Deal aus: Die Stiftung sollte das marode Gebäude mit einem Aufwand von 32 Millionen D-Mark sanieren - und im Gegenzug für den symbolischen Preis von einer Mark Eigentümerin werden.

Protest gegen Herausgabe des "Tafelsilbers"



Im Stadtrat zeichnete sich schnell eine breite Mehrheit für das ungewöhnliche Geschäft ab. CDU, SPD und UBM signalisierten Zustimmung, Gegenwehr kam von den Grünen. Die Herausgabe eines Kernstücks des städtischen Tafelsilbers rief eine Bürgerinitiative um den inzwischen gestorbenen Pfarrer Hermann Münzel auf den Plan.

Die Protestler erhielten Auftrieb, nachdem deutlich wurde, dass die Stiftung - die übrigens mit dem Trierischen Volksfreund weder rechtlich noch personell verbunden ist - zwecks Refinanzierung einen potenten Einzelhändler für das Filetstück am Hauptmarkt suchte. Als die ersten Entwürfe für das "H&M"-Emblem kursierten, das künftig Triers gute Stube zieren sollte, schlugen die Wogen ein weiteres Mal hoch.

Doch die Ratsmehrheit blieb hart, und der Pulverdampf um Gebäude-Ästhetik und Denkmalschutz verflog erstaunlich schnell. Vom Februar 1999 bis Juni 2000 zogen etappenweise die neuen Nutzer ein.

Was allerdings blieb, war ein alljährlicher Obolus aus dem städtischen Haushalt an den neuen Eigentümer. Denn für gut die Hälfte der Gesamtnutzfläche von 8500 Quadratmeter sollte die Stadt als Mieter auftreten - das war Bestandteil der Vereinbarung. So brachte das Rathaus die Stadtbibliothek und das Bildungszentrum unter, holte mit der Gesellschaft für Bildende Kunst, dem Haus der Gesundheit und dem Palais e.V. gemeinnützige Einrichtungen ins Haus. Für Ärger sorgte, dass sich auch der private Radiosender RPR auf einer städtische Fläche ansiedelte - angeblich für eine subventionierte Miethöhe. Im Stadtrat gab es bohrende Anfragen, die Stadt antwortete ausweichend, verwies auf das "Geschäftsgeheimnis" der Stiftung. Der Haupt-Aufklärer von damals müsste es inzwischen genauer wissen: Thomas Egger, seinerzeit kritischer FDP-Fraktionschef, ist inzwischen der zuständige Dezernent im Stadtvorstand.

Rund eine halbe Million Euro überweist die Stadt nach TV-Informationen inzwischen jährlich an Miete, nur ein kleiner Teil davon fließt an eigenen Untermiet-Einnahmen zurück. Und wenn ein Mieter wie der Verein "Produktion e.V." pleite geht, bleibt die Stadt schon mal auf den Schulden sitzen.

Wie man im Rathaus heute zu dem Verkauf steht, ist schwer herauszukriegen. Eine Stellungnahme war innerhalb eines Tages nicht zu haben. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass in der regierenden Ampel-Koalition treue Befürworter und erbitterte Gegner nebeneinander sitzen.

Meinung : Ermutigende Erfahrung
Es ist nie schön, wenn man Bürger-Eigentum privatisieren muss. Aber der Fall Palais Walderdorff ist nach zehn Jahren eine Ermutigung, öfter solch unkonventionelle Wege zu gehen. Der ehemalige Schandfleck ist ein Schmuckkästchen geworden und geblieben, mit der Substanz wird sorgfältig umgegangen, mit der sensiblen Optik kein Schindluder getrieben. Die Bürger haben das neue Palais - wie auch den gesamten neuen Domfreihof - nicht nur akzeptiert, sondern ins Herz geschlossen. Da hat sich die Bereitschaft der Politik ausgezahlt, für vordergründig unpopuläre Entscheidungen den Kopf hinzuhalten. Vielleicht auch eine Empfehlung für heute. Die Alternative hätte so ausgesehen, dass die Stadt das Geld, das sie jetzt an Miete zahlt, etappenweise für Flickschusterei am verrottenden Bau ausgegeben hätte. Die Kohle wäre heute genauso weg, aber eine Generalsanierung hätte nie oder allenfalls fragmentarisch stattgefunden. Die berühmte Public-Private-Partnership kann funktionieren. Aber nur dann, wenn man einen Partner findet, dessen oberstes Ziel nicht die kurzfristige Profitmaximierung ist. Insofern muss sich beweisen, ob das "Modell Walderdorff" auch für Theatersanierungen und Ähnliches taugt. d.lintz@volksfreund.de

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