Von Fernweh getrieben

Sie spricht Englisch, Französisch, Spanisch und versteht Italienisch. Kein Wunder, denn Katharina Seiwert ist in ihrem langen Leben weit herumgekommen. Ein Leben als Hausfrau und Mutter stand für die Triererin nie zur Debatte. Am heutigen Freitag feiert sie ihren 100. Geburtstag.

 Dann eben mit Lupe: Selbst im Alter von 100 Jahren möchte Katharina Seiwert ihren morgendlichen Volksfreund nicht missen. TV-Foto: Beate Kerpen

Dann eben mit Lupe: Selbst im Alter von 100 Jahren möchte Katharina Seiwert ihren morgendlichen Volksfreund nicht missen. TV-Foto: Beate Kerpen

Trier. In dem kleinem Zwei-Zimmer-Apartment im Trierer Seniorenheim "Residenz am Zuckerberg" häufen sich Zeitungen auf dem Tisch. Wörterbücher verschiedener Sprachen füllen das Regal. Die alte Dame im Rollstuhl brütet mit einer Lupe über der Tageszeitung: "Ich habe immer etwas zu tun, bloß die Augen machen nicht mehr richtig mit", sagt Katharina Seiwert, die heute ihren 100. Geburtstag feiert.

Hinter ihr liegt ein bewegtes Leben. Nach dem Abitur studierte sie Englisch, Französisch und Sport - für eine Frau damals nicht selbstverständlich. Im politischen Klima der 30er Jahre fühlte sich die freiheitsliebende junge Frau nicht wohl und wanderte 1934 nach Spanien aus. Der Ausbruch des Bürgerkrieges kurz darauf zwang sie zur Rückkehr.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges nahm Katharina Seiwert eine Arbeit als Dolmetscherin in der Normandie an, wo die Alliierten sie 1944 in Kriegsgefangenschaft nahmen. Nach zwei Jahren kehrte sie unversehrt zu ihrer Familie nach Trier zurück. Dennoch plagte sie weiter das Fernweh: "Ich musste einfach die Tapete wechseln und wieder etwas Neues sehen." Also brach sie ein weiteres Mal nach Spanien auf, wo sie jahrelang als Lehrerin arbeitete.

Heiraten wollte die emanzipierte Frau nie. "Für einen Mann wäre ich in jenen Zeiten viel zu selbstständig gewesen", erklärt die Seniorin. "Ich wollte mich nicht binden und zu Hause am Herd stehen und Kinder hüten. Dafür liebte ich meinen Beruf zu sehr."

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