Von Inklusion profitieren nicht nur Behinderte - Aktionsplan für die Stadt Trier in Vorbereitung

Trier · Die Vision ist eine barrierefreie Stadt. Davon würden nicht nur die 16 000 Menschen mit Behindertenausweis profitieren, die in Trier leben. Auch Wirtschaft und Tourismus wären Nutznießer einer gelebten Inklusion. Der Aktionsplan soll dafür den Weg bereiten.

Wäre das erste Treffen der Arbeitsgruppen für den Aktionsplan Inklusion zeitlich nicht mit der großen Grippewelle Ende Februar zusammengetroffen, hätten noch wesentlich mehr als 180 Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft und des öffentlichen Lebens mitgewirkt, darunter viele Behinderte. Uta Hemmerich-Bukowski ist dennoch begeistert: "Es gibt bereits jetzt so viele Akteure, dass es mich fast umhaut", sagt die 56-Jährige, die seit September im Auftrag der Stadtverwaltung alles dafür tut, damit Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung einmal selbstbestimmt und ohne Einschränkungen am öffentlichen Leben in Trier teilnehmen können.Barrierefrei und viel mehr


Gemeinsam mit dem Behindertenbeirat geht es Hemmerich-Bukowski zunächst darum, einen Aktionsplan Inklusion zu erarbeiten, in dem die wichtigsten Ziele und Maßnahmen für eine barrierefreie Stadt definiert sind.
Barrierefrei bedeutet in diesem Fall viel mehr als behindertengerechte Zugänge zu Museen, Schulen, Theater oder Rathaus. Es geht zum Beispiel auch darum, für Sehbehinderte oder Hörgeschädigte den Besuch einer Vortragsveranstaltung ohne organisatorischen Aufwand zu ermöglichen. Und natürlich geht es auch um eigentlich selbstverständliche Dinge wie Busfahren oder Arztbesuche, wie Heike Unterrainer vom Büro des Behindertenbeirates weiß. "Welcher Zahnarzt hat einen Behandlungsstuhl für Rollstuhlfahrer?", fragt sie aus eigener Erfahrung. Und wie ist es bei Frauenärzten? "In Schweich gibt es eine Praxis mit Spezialbehandlungsstuhl", sagt sie. "Aber das weiß niemand."
Die engagierte Frau im Rollstuhl trifft damit den Kern eines Problems: Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen gibt es tatsächlich bereits viele. Das Wissen darüber ist aber noch zu wenig bekannt. Das war vielleicht die wichtigste Erkenntnis des ersten Treffens der sechs Arbeitsgruppen.
Uta Hemmerich-Bukowski nennt beispielhaft den Bereich Tourismus: "Hier gibt es gute Ansätze. Die Touristiker fangen gerade an, dies als Chance zu verstehen und sich zu vernetzen." Sie bekommen dabei Rückenwind von der Landesregierung, die für barrierefreien Tourismus in Rheinland-Pfalz wirbt.
"Alleine, wenn die Touristinformation grundsätzlich bei den Betrieben abfragt, ob ihre Angebote behindertengerecht sind, werden diese dafür sensibilisiert", ist Hemmerich-Bukowski überzeugt. So könnte eine Vision für den Aktionsplan Inklusion lauten, dass zehn Prozent der Touristen Trier als Ziel ihrer Reise wählen, weil die Stadt für behinderte Menschen besonders attraktiv ist.Bei Bildung reden viele mit


Den größten Zuspruch auf dem Weg zum Aktionsplan Inklusion hat bislang die Arbeitsgruppe Erziehung und Bildung. Das überrascht nicht, hat die rot-grüne Landesregierung doch Inklusion in Schulen zum Gesetz gemacht. Und so wird das Thema Schule bei der nächsten AG-Runde als eigene Arbeitsgruppe ausgegliedert und unabhängig von den Themen Erziehung und außerschulische Bildung diskutiert. Uta Hemmerich-Bukowski: "Ich hoffe, dass dann auch Vertreter der Gymnasien und weiterbildenden Schulen dabei sein werden."
Ebenso fehlen im Bereich Gesundheit und Pflege bislang die Kliniken und Ärztevertreter. "Das ist besonders bedauerlich, weil gerade dieses Thema so komplex und teilweise neu ist", sagt die Inklusionsbeauftragte. "Früher sind viele Menschen mit Behinderungen einfach nicht alt geworden. Das hat sich geändert. Aber wie gehe ich mit einem Behinderten um, der im Alter dement wird?"
Der Themenkatalog, mit dem sich die nun sieben Arbeitsgruppen Ende Mai und Anfang Juni befassen werden, ist riesig. Da aber nicht alles auf einmal umsetzbar ist, wird es nun vor allem darum gehen, Prioritäten zu setzen und Ziele zu definieren. Weitere Mitwirkende sind jederzeit willkommen, nach vorheriger Anmeldung bei Uta Hemmerich-Bukowski. "Damit wir wissen, ob Gebärden- und Sprachdolmetscher organisiert werden müssen."
Anmeldung bei Uta Hemmerich-Bukowski unter Telefon 0651/718-1016; E-Mail: uta.hemmerich-bukowski@trier.deMeinung

Der Weg ist das Ziel
Inklusion - der Begriff ist sperrig. Doch es geht dabei um ein Thema, das uns alle betrifft - früher oder später. Denn gut lesbare Hinweisschilder, stolperfallenfreie Eingänge oder gut beleuchtete Wege und Geschäftspassagen sind nicht nur für Menschen mit Behindertenausweis ein Problem. Im Alter lassen Sehfähigkeit, Fitness und Gleichgewichtssinn oft nach und schränken Senioren ebenso wie ihre offiziell als Behinderte anerkannte Mitmenschen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben ein. Gerade in einer alternden Gesellschaft ist es deshalb sinnvoll und wichtig, die Hindernisse und Fallen des Alltags zu beseitigen. Inklusion ist komplex und betrifft alle Bereiche des Lebens. Deshalb sind auch alle Mitglieder der Gesellschaft aufgefordert, sich an den Veränderungsprozessen aktiv zu beteiligen. Wie wertvoll es ist, die vorhandenen Aktionen und Angebote zu sammeln und bekannt zu machen, hat schon die erste Diskussionsrunde auf dem Weg zum Aktionsplan gezeigt. So lässt sich beim Thema Inklusion tatsächlich sagen: Der Weg ist das Ziel. Je mehr ihn mitgehen, desto besser. r.neubert@volksfreund.deExtra

Das Ziel ist: Menschen mit Behinderung sollen besser leben. In Arbeitsgruppen (Dauer jeweils 17 bis 20 Uhr), die für alle Interessierten offen sind, sollen Maßnahmen für den Aktionsplan Inklusion formuliert werden. Die Termine: Gesundheit und Pflege (26. Mai) Bauen, Wohnen, Barrierefreiheit, Mobilität und Verkehr (28. Mai) Schule (3. Juni) Erziehung und außerschulische Bildung (9. Juni) Barrierefreie Kommunikation und Information, Öffentlichkeitsarbeit (11. Juni) Kultur, Freizeit und Sport (18. Juni) Arbeit, Personalentwicklung und Interessenvertretung (25. Juni). r.n.Extra

Aktionsplan Inklusion Alle Menschen sollen gemeinsam in der Stadt Trier leben können. Auch Menschen mit Behinderung sollen überall mit-machen können. Die Stadt Trier macht einen Plan. Das schwere Wort heißt: Aktions-Plan Inklusion. Viele Bürger, Verbände und Vereine machen mit. Sie treffen sich in sieben Arbeits-Gruppen. Dabei überlegen sie, was kann besser gemacht werden für Menschen mit Behinderung. Die Arbeits-Gruppen arbeiten an verschiedenen Bereichen: an den Bereichen Erziehung und Lernen für Erwachsene an dem Bereich Schule an den Bereichen Bauen und Wohnen und Verkehr an den Bereichen Gesundheit und Pflege an den Bereichen Freizeit und Kultur und Sport an dem Bereich Arbeit an dem Bereich Infos und Gespräche verstehen. red Die Lebenshilfe hat 2014 das Netzwerk "Leichte Sprache für Trier" gestartet, das der TV mit Texten wie diesem unterstützt.

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