Von Künstlern wachgeküsst

TRIER. Erwachen aus seinem Dornröschenschlaf wird in den kommenden Wochen das barocke Schloss im Stadtteil Quint. Unter dem Titel "Zum fünften Meilenstein" wird das Barockgebäude zur begehbaren Bildergalerie mit Werken regionaler und überregionaler bildender Künstler. Sonntags öffnen die Schlosstore und bieten zudem Erlebnisweinproben oder literarische Promenaden. Eröffnet wird das Kunst-Ereignis am 4. September um 16 Uhr.

Verwunschen liegt es da - und verlassen. Seitdem das Arbeitsrecht-Institut der Universität Trier aus dem Schloss in Quint ausgezogen ist, steht es leer. Jammerschade für ein derart schmuckes Anwesen. Doch die Idylle ist bald vorbei. Anfang September werden Künstler die barocken Räumlichkeiten für einen Monat bevölkern oder wohl eher bebildern. Die von Daniel Schieben initiierte Kooperation acht regionaler und überregionaler Künstler zeigt Fotografien, Collagen, Kohlezeichnungen, Siebdruck-Werke, Lack-auf-Leinwand, Raum- und Videoinstallationen - ein bunter Cocktail künstlerischer Spielarten.Katalog-Collagen aus Kindergartenzeiten

Die Arbeiten des Düsseldorfer Arztes Michael Deeken erinnern zunächst an Katalog-Collagen aus Kindergartenzeiten. Das künstlerische Niveau erschließt sich peu à peu. Dargestellte Körperteile scheinen plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln - ein Relikt des Anatomiekurses? - Ein mittig zerrissenes Frauen-Portrait mit Blaufiltereffekt mutet wie die Visualisierung der Diagnose "Schizophrenie" an. Mike Jansen, ebenfalls Düsseldorfer, präsentiert in den Schlossräumen einen gewagten Stilmix aus plastischen Kitsch-Collagen und großflächigen Pop-Art-Gemälden à la Piet Mondrian. Sein Portrait mit Baseballkappe und skeptischem Blick verrät, dass er lieber Kunst macht, anstatt selbst zum Objekt zu werden. Für Erhellung sorgt Thomas Kleynen. Mit Leuchtkästen illuminiert der Aachener das dunkle Kellergewölbe. Außerdem provoziert er mit seinen Fotografien neue Sichtweisen: "Der Raum wird bei mir ‚auseinander gesetzt', um sich dann zu etwas neuem zusammenzusetzen." So wandelt man als Betrachter seiner Bilder mit einer Art 360 Grad-Rundum-Blick durch Hörsäle und Pinakotheken oder begegnet einem surrealen Akt nur aus interessant arrangierten Arm- und Beinfragmenten. Bodenständiger sind die Kohle-Studien von Sophie Schrader. Die Schwäbin studiert Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Trier. Menschen sind das Hauptmotiv ihrer Skizzen, denen es mit scheinbar schlichten Mitteln gelingt, die Kraft im ruhenden Körper darzustellen. Besonders eindrucksvoll gelingt dies ihrem Akt einer alten Frau. Ähnlich, die Bilder ihres Kommilitonen Martin Milev. Der 27-jährige Bulgare arbeitete bereits als Illustrator in Designstudios. Beinahe lupenähnlich wirken seine Werke: Er geht nah heran an sein Motiv. Jede noch so kleine Falte findet sich auf dem Papier wieder und zeichnet Charakterstudien mit Tiefgang, die besonderes Augenmerk auf ausdrucksstarke Gesichter und Hände legen.Farbenfroh, puristisch oder märchenhaft

In krassem Kontrast dazu stehen die Arbeiten von Dieter Nusbaum. Seine großflächigen und farbenfrohen Werke negieren die Grenzen zwischen Vorder- und Hintergrund. Die häufig figurativen Siebdruckelemente scheinen auf der bunten Leinwandgrundierung zu schweben. Farbpurismus passt wohl am besten zu den Fotografien von Daniel Schieben. Ausschließlich in Schwarz-Weiß portraitiert er unter anderem Artisten in ihrem persönlichen Umfeld, fasziniert mit edel-erotischen Akt-Aufnahmen und verleiht selbst Alltagssituationen durch seine Perspektive eine völlig neue Note. Beinahe märchenhaft kommen die Fotos von Thomas Tappert daher. Mit Hilfe von Spiegeln und optischen Geräten entführt er den Betrachter in irreale Scheinwelten, die die vertraute Art des Sehens außer Kraft setzen. Spannende Sichtweisen, die die Schlossausstellung verspricht. Wer sich nicht nur auf seinen Seh-Sinn verlassen möchte, wird in dem Begleitprogramm zur Ausstellung interessante Angebote finden, die sowohl Augen als auch Gaumen stimulieren: 11. September 16 Uhr: "Der Blick hinter das Objektiv", Vortrag zu Dokumentarfotografien 18. September 16 Uhr: "Texte treffen Bilder", eine literarische Promenade durch das Schloss 25. September 18 Uhr: Kunsterlebnisweinprobe (Preis pro Person zwölf Euro) Anmeldung unter Telefon 0651/3602396.

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