Von Wert und Verlust des Lebens

Mit dem Stück "Der gute Hirte" hat das preisgekrönte belgische Theater Agora in der Tufa sein Publikum aus Schulklassen berührt und begeistert. Mit viel Witz, Originalität und Poesie, vor allem aber schauspielerischer Glanzleistung transportierte es anspruchsvolle Inhalte.

 Mit brillanten schauspielerischen Leistungen überzeugt Kurt Pothen vom Theater Agora in der Tufa.TV-Foto: Anke Emmerling

Mit brillanten schauspielerischen Leistungen überzeugt Kurt Pothen vom Theater Agora in der Tufa.TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. (ae) Manchem aus der Region wird das Theater Agora noch aus dem Gastspiel "Die Kreuzritter" beim Eifeler Kinderkulturfestival "Sommerheckmeck" im vergangenen Jahr in Erinnerung sein. Jetzt gastierte die mit internationalen Auszeichnungen versehene Bühne aus dem deutschsprachigen Raum Ostbelgiens mit der Produktion "Der gute Hirte" in der Tufa. Stück ist eine Art religiöse Parabel

Es ist ein Stück, das von Anfang an fesselt, weil gleich die Grenze zwischen Bühnengeschehen und Realität aufgehoben wird - das Publikum spielt auch im Stück als Publikum mit. Es lauscht einem Geschichtenerzähler, der es aktiv einbindet, beispielsweise um mit Geräuschen Schilderungen zu illustrieren oder Schlüsselworte zu liefern. Dieser Erzähler, Claude, lebt als psychisch Kranker betreut von einem Partner, mit dem er von Stadt zu Stadt zieht, um die Geschichte vom guten Hirten zu erzählen. Von einem jugendlichen Publikum, das keineswegs aus Theaterstammgästen besteht, könnte man Befremden gegenüber einem solchen Protagonisten erwarten. Doch das Gegenteil ist der Fall, weil Darsteller Kurt Pothen die jungen Leute erst mit jeder Menge Slapstick-Humor für seine Figur gewinnt und sie dann allmählich über mitreißende und plastische, mimisch ungeheuer ausdrucksvolle Schilderungen in deren Vorstellungswelt zieht. Die Geschichte, in Kapiteln erzählt, die als Gesamtheit oder auch einzeln verstanden werden können, ist eine Art religiöser Parabel. Es geht darum, dass ein guter Hirte auf tragische Weise alle seine Schafe verliert. Indem Claude über ihren Verlust berichtet, erschafft er die Lebewesen neu, zumal er deren Stimmen auf unzähligen Tonbändern gesammelt hat. So bizarr lustig das auch wirkt, das Lachen bleibt im Halse stecken, wenn man an die realen Bezüge Artensterben und Klimawandel denkt. Agora verzichtet auf moralische Keulen

Doch das Theater Agora schwingt nicht die moralische Keule der Schuldzuweisung, sondern appelliert vielmehr daran, sich die Bedeutung jedes einzelnen Lebens und seine Schutzwürdigkeit zu vergegenwärtigen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Und es verbreitet Hoffnung, denn nach dem Tod des Hirten am Ende lebt der in Claude weiter: "Er ist gestorben, seitdem ist er mein Vater, seitdem habe ich ihn". Dass das junge Publikum die tiefsinnigen Fragen und Anspielungen annimmt und hinterher donnernd Applaus und Lob spendet wie: "Das war so toll" , liegt an der fantastischen künstlerischen Umsetzung. Brillante Schauspielleistung, originelle Requisiten wie jede Menge alte Kassettenrekorder, effektvolle Ton- und Lichtregie (Matthias Weiland) und natürlich die Interaktion mit den Zuschauern haben dieses Stück zum Erlebnis gemacht.

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