Von der Angst vor dem leeren Raum

Bonn/Trier · Literaturwissenschaftler Christian Reidenbach erhält in Bonn Preis der Französischen Republik.

 Auszeichnung in Bonn: (von links) Vincent Muller (Generalkonsul der Französischen Republik), Christian Reidenbach und Landry Charrier (Leiter Institut français Bonn und Attaché de coopération universitaire). Foto: Uni Bonn/Volker Lannert

Auszeichnung in Bonn: (von links) Vincent Muller (Generalkonsul der Französischen Republik), Christian Reidenbach und Landry Charrier (Leiter Institut français Bonn und Attaché de coopération universitaire). Foto: Uni Bonn/Volker Lannert

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Bonn/Trier (red) Für seine Dissertation "Die Lücke in der Welt" hat der in Trier wohnende Literaturwissenschaftler Christian Reidenbach in Bonn den "Prix de la République française" erhalten. Geforscht hat Reidenbach gut drei Jahre lang über die wissenschaftliche und literarische Entdeckung des leeren Raums im 17. und 18. Jahrhundert. Ein trinationales Graduiertenprogramm hat ihn dabei an die Universitäten Bonn, Paris (Sorbonne IV) und Florenz geführt. Nun wurde ihm in Anwesenheit des französischen Generalkonsuls die Auszeichnung vom Rektor der Bonner Universität verliehen.

Die prämierte Arbeit schildert nicht nur die Entstehung einer Angst vor dem leeren Raum in den Vorstellungswelten der frühen Neuzeit, sondern vor allem ihre allmähliche Überwindung über gut 120 Jahre hinweg. Reidenbach fasst die Ergebnisse seiner Forschung für den Trierischen Volksfreund zusammen: "Pascals Herstellung eines Vakuums 1647 beweist erstmals die antike (also heidnische) Hypothese von einer Welt, die sich aus Atomen und Leerräumen zusammensetzt. Doch in die Begeisterung über den wissenschaftlichen Triumph mischt sich Unbehagen: Wie die Glasrohre der physikalischen Experimente muss nun auch das Universum als leer angenommen werden; Gott ist in ihm nicht mehr wirksam. Furcht befällt den neuzeitlichen Philosophen daher beim Anblick des Himmels.

Erst im Zuge folgender Denkergenerationen wird sie sich verlieren: Die Science-Fiction-Literatur der französischen Frühaufklärung weckt Hoffnungen, den leeren Raum mit Flugapparaten durchmessen zu können und in ihm heimisch zu werden; die vitalistischen Modelle der Naturwissenschaftler verzeichnen ihrerseits ab etwa 1750 in den vermeintlichen Leerräumen Kräfte, Ströme und Sympathien, so dass die strenge Opposition von Nichts und Etwas überwunden werden kann und mit ihr die Angst vor dem Vakuum." Reidenbach gesteht: "Für mich als Literaturwissenschaftler bildeten die mit meinem Thema verbundenen zusätzlichen Forschungen in den Bereichen Philosophie, Physik und Theologie erhellende Herausforderungen." Dass sich über die Geschichte des Nichts viel sagen lässt, beweist die für das nächste Frühjahr terminierte Publikation seines Buches: Der Band wird gut 680 Seiten zählen.Extra: KARL MARX UND DIE LEERE


Auch Karl Marx beschäftigt sich in seiner "Doktordissertation" von 1840 mit den griechischen Atomisten und den Fragen um Atom und Leere. Er zeigt, dass bei Epikur die Verbindung einzelner lebloser Teilchen zu lebendigen Organismen nicht mehr von der Notwendigkeit abhängt, sondern auf eine Eigendynamik der Elemente zurückgeht. Das gibt den Materialisten das Stichwort, die das Lebensprinzip in den Teilchen vermuten, anstatt es einem externen Prinzip oder einem Schöpfer zuschreiben zu wollen. Marx' Professor gibt zu Protokoll, die Arbeit zeuge "von eben so viel Geist und Scharfsinn als Belesenheit[.]"

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