Von der Mosel an den Rio Grande

TRIER. Im 19. und 20. Jahrhundert wanderten zahlreiche Menschen aus der Region nach Brasilien aus. Die von Armut und Not gezeichneten Familien hofften auf ein besseres Leben in Südamerika. Eine Ausstellung im Palais Walderdorff dokumentiert ihr Schicksal.

 Bunt geschmückt warben die Tänzer der Gruppe "Samba Tormanta" für die Ausstellung.Foto: Ludwig Hoff

Bunt geschmückt warben die Tänzer der Gruppe "Samba Tormanta" für die Ausstellung.Foto: Ludwig Hoff

Heiße Sambatänze, braune, knapp bekleidete Körper und rhythmische Trommelmusik machten am Freitagnachmittag zu tropischen Temperaturen in der Trierer Innenstadt Lust auf südamerikanisches Lebensgefühl. Die Akteure kamen nicht von der Copacabana oder vom Zuckerhut, sondern aus der Stadt. Um auf die Ausstellung "Brasilien ist nicht weit von hier. Hunsrücker und andere Deutsche auf der Suche nach einer neuen Heimat" im Palais Walderdorff aufmerksam zu machen, zog die Gruppe Samba Tormenta durch die Fußgängerzone.Verlockende Angebote

Dabei behandelt die Ausstellung ein ernstes Thema: die Schicksale von Menschen aus dem Hunsrück, die im 19. und 20. Jahrhundert nach Brasilien auswanderten. Mit der lautstarken Tour durch die Innenstadt will Samba Tormenta denn auch der Ausstellung keinen anderen Akzent geben, sondern nur für sie werben. Es war die nackte Not, die die Menschen aus dem Hunsrück aus ihrer Heimat trieb. Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink brachte es auf den Punkt: "Sie wollten lieber das Risiko in der Fremde eingehen als daheim in Armut zu leben." In den Jahren 1826 bis 1828 erreichte die Brasilienauswanderung ihren ersten Höhepunkt im Trierer Raum - zu verlockend waren die Angebote aus dem fernen Land. "Grumbiern wie ein Kopf so groß, und jeden Tag schlacht man ein Schwein und trinkt dabei den besten Wein", sangen Werber der brasilianischen Regierung zu Drehorgelmusik. Auch in Trier waren sie tätig. Insbesondere der massive Einsatz der Musik in der Brasilien-Propaganda sei der Obrigkeit ein Dorn im Auge gewesen, berichtete Holkenbrink. So habe die Regierung dem Trierer Oberbürgermeister Wilhelm Haw 1827 empfohlen, "…namentlich auch den Orgelspielern, welche ein eigenes Volkslied auf die Reise nach Brasilien absingen sollen, in Sorgfalt nachzuspüren." Am 25. Juli 1824 betraten die ersten deutschen Einwander im heutigen Bundesland Rio Grande do Sol brasilianischen Boden. Das südlichste der 16 Bundesländer Brasiliens ist etwa 28 mal so groß wie Rheinland-Pfalz. Drei der fast zehn Millionen Einwohner haben deutschstämmige Vorfahren. Über drei Viertel der 1,2 Millionen Deutschbrasilianer sprächen "Hunsrückisch", berichtete Holkenbrink. Zur Ausstellungseröffnung konnte er sogar Botschaftsrat Jose Fernando Valim aus Frankfurt und Tiago de Oliveira Pinto vom Brasilianischen Kulturinstitut in Berlin begrüßen. Er dankte Achim Wilbois von Backstage Management in Trier, ohne dessen Unterstützung die Ausstellung in Trier nicht hätte realisiert werden können.Schlimme Strapazen

Die Ausstellung "Brasilien ist nicht weit von hier. Hunsrücker und andere Deutsche auf der Suche nach einer neuen Heimat" gliedert sich in vier große Themenblöcke. Sie beleuchtet vor allem die historischen Hintergründe der deutschen Auswanderungsbewegung, die Kolonisation und Eingliederung in die brasilianische Gesellschaft und die heutige Kultur der deutschstämmigen Brasilianer. Eindrucksvoll erleben die Besucher, wie schwer den Auswanderern der Abschied gefallen sein muss und wie schlimm die Strapazen die Überfahrt für die Menschen waren. Interessenten können die Ausstellung bis zum 17. August während den Öffnungszeiten des Palais Walderdorff besichtigen.

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