Von der Vogelscheuche bis zum Nikolaus

Mit der Perspektive Einsamkeit kann Heiligabend mitunter zur Qual werden. Damit dies nicht geschieht, veranstaltet die Trie rer Arbeiterwohlfahrt seit Jahrzehnten eine Feierstunde für Einsame und Alleinstehende zum Beisammensein in geselliger Runde.

 Hermann Josef Alberg gibt sein 1927 gefundenes Weihnachtsgedicht zum Besten. Irma Brommert lauscht gespannt. TV-Foto: Ludwig Hoff

Hermann Josef Alberg gibt sein 1927 gefundenes Weihnachtsgedicht zum Besten. Irma Brommert lauscht gespannt. TV-Foto: Ludwig Hoff

Trier. (LH) Nicht jeder Platz im Saal der Villa Reverchon hoch über dem Trierer Tal war diesmal besetzt bei der Heiligabendfeier der Trierer Arbeiterwohlfahrt (Awo). "Wenn der Grund dafür ist, dass einige Ältere und Alleinstehende diesmal im Kreise ihrer Familie den Heiligabend feiern können, freut mich das umso mehr", sagte Klaus Rümmler, Vorsitzender der Trierer Awo, und war nicht einmal traurig über diesen Umstand. Für alle anderen bot die traditionelle Feier eine willkommene Gelegenheit, den Heiligabend nicht alleine verbringen zu müssen, sondern sich einer netten Gesellschaft zu erfreuen - auch wenn nicht die ganz nahe Verwandtschaft dabei versammelt war. "Ich gehe erst am ersten Weihnachtstag zu den Kindern", sagt eine Frau. Ob ihr das auch in ihrem innersten Herzen recht ist, lässt sie offen. Zumindest verzieht sie keine Miene.

Erzählungen von schlechten Zeiten und vom "Hamstern"



Eine heimische, gemütliche Stimmung herrscht bei der Feierstunde. Und die ändert sich auch nicht, als im Verlaufe des Abends der Nikolaus (Awo-Vorstandsmitglied Werner Franzen) vorbeischaut, um zu sehen, ob alle auch recht brav sind und nachher alle Gäste mit einer Weihnachtstüte zu beschenken. Angst vor dem Nikolaus? "Aus diesem Alter sind wir längst raus", sagt ein älterer Herr augenzwinkernd. Was aber nicht immer so war, wenn er an seine frühe Kindheit denkt, gesteht er ein. Man erinnert sich gerne bei den Gesprächen an den Tischen, wenn nicht gerade Weihnachtslieder gesungen oder Gedichten gelauscht werden. Zurückdenken auch daran, dass es auch "schlechte Zeiten" gab im Leben der älteren Leute. Vom "Hamstern" wird erzählt und davon, dass man auch Hunger gelitten habe - im Krieg und den ersten Jahren danach. Sie habe sich mal auf einem Acker nahe Euren längsliegend in einer Ackerfurche versteckt, bis der Bauer weg war, um einen "Kappeskopf" zu ergattern. "Wann verschwindet der Bauer bloß", wurde der Frau die Wartezeit lang und länger. Bis es ihr nach einiger Zeit wie Schuppen von den Augen fiel: Die Gestalt, vor der sie sich versteckt hatte, war kein Bauer, sondern eine Vogelscheuche. Kann es eine schönere Geschichte geben? Wohl kaum. Vielleicht eine in Form eines Weihnachtsgedichts, das der Trierer Hermann-Josef Alberg aus seiner Eifel-Heimat mitgebracht hat: "Dau brauchs net iwer Land on Meer noa Bädleheem se ränen: Den Heiland fend'ste iweral, wann dau en wells erkänen!"

Awo-Vorsitzender Klaus Rümmler dankte den vielen ehrenamtlichen Helfern, an ihrer Spitze Karl-Heinz Deutsch, die um das Wohl der Gäste bemüht sind, wie auch den Sponsoren, durch die die Traditionsfeier erst ermöglicht werde. Ortsvorsteher Klaus Blum überbrachte die Grüße des Stadtteils und erwies sich als gekonnter Vorsänger von Weihnachtsliedern. Früher habe man den Stadtteilchef beim Singen sogar mit Blumen beworfen, witzelt ein Insider: "Aber da hingen die Töpfe noch dran..."

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