Vorreiter auf schwierigem Terrain

Auch wenn gerne drumherum geredet wird: Die Kurfürst-Balduin-Hauptschule in Trier-West steht mitten in einem sozialen Brennpunkt. Hier wird nicht nur Bildungs-, sondern auch schwierige Erziehungsarbeit geleistet. Mit entsprechend hohen Anforderungen.

 Die Kurfürst-Balduin-Hauptschule. TV-Foto: Dieter Lintz

Die Kurfürst-Balduin-Hauptschule. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Gerade mal acht Jahre ist es her, dass die Kurfürst-Balduin-Hauptschule mit Millionen-Aufwand saniert wurde. Doch wer dieser Tage über den Schulhof Richtung Schulgebäude wandert, entwickelt unweigerlich Baustellen-Gefühle. Ein Gebäudeteil wurde abgerissen, die Brache harrt der Neugestaltung. "Da ist die Renovierung in der zweiten Ausbaustufe stecken geblieben", meint Schulleiter Eugen Lang etwas ratlos. Er hätte gerne einen Bolzplatz, aber die Finanzierung steht in den Sternen. "Das hängt alles am Schulentwicklungs-Konzept", sagt Lang. Schwerpunktbetreuung für Lernbehinderte

Manöver in schwieriger Lage ist die Trier-Wester Hauptschule gewöhnt. Schon vor zwölf Jahren etablierte man sich bei einem Modellprojekt als Vorreiter in Sachen Behinderten-Integration. 2001 kam die "Beförderung" zur Schwerpunktschule - heute ist jeder siebte der 214 Schüler "beeinträchtigt", wie es politisch korrekt heißt. Den meisten machen Lernbehinderungen zu schaffen, nur vereinzelt finden geistig oder körperlich behinderte Schüler den Weg hierher. Das könnte mit dem "Brennpunkt-Image" zusammenhängen. Zu Unrecht, versichert Rektor Lang. "Gerade bei problematischen Schülern" gebe es einen "sehr positiven Umgang mit Behinderten". Was nicht heißt, dass es bei anderen Gelegenheiten nicht auch mal rau zugeht. Selten mit körperlicher, aber immer öfter mit verbaler Gewalt. "Dissen" und "mobben", auch via Internet, habe "unglaublich zugenommen", beobachtet Lang, der darob eine Fortbildungsmaßnahme in "konfrontativer Pädagogik" belegt hat - was nicht nur sprachlich so klingt wie das Gegenteil von Kuschel-Pädagogik. Aber das "Alltagsgeschäft für Lehrer" sei "viel weniger gewalttätig, als man vermutet". Freilich müssen die Balduin-Lehrer viel Energie in "intensive Elternarbeit" stecken - obwohl man das, wie Lang unumwunden einräumt, "nicht anordnen kann". Bei schwierigen Klassen bedeutet das tägliche Telefonate mit Eltern und manchen Hausbesuch. Im Gegenzug sind die zehn Klassen mit im Schnitt 21 Schülern eher klein besetzt, und für die Integration ist oft eine zweite Lehrkraft dabei. Die 19 Lehrer werden von fünf Sonderschullehrern und einem Schulsozialarbeiter unterstützt - auch bei letzterem übernahm die Balduin-Schule die Pionier-Rolle für Trier.Der inhaltliche Schwerpunkt der Schule liegt beim Fitmachen für den Beruf. Für die mittlere Reife ist ein Schulwechsel fällig. Es gebe eine "ausgefeilte Berufswahl-Vorbereitung", versichert Schulleiter Lang. Die Wirkung zeige sich in "guten Vermittlungsquoten", auch durch die Bewährung der Schüler bei umfassenden Praktika. Allerdings stellt er immer wieder fest, "dass unsere Schüler außerhalb des Viertels wenig Chancen haben".Gegen die alten Vorurteile arbeitet die Schule mit intensiven Kooperationen an, unter anderem mit den Kammern, dem Palais oder dem Bürgerservice. Arbeitsweltklassen und Berufsvorbereitungsjahr bieten abgestufte Möglichkeiten für die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler. Ideale Voraussetzungen, hofft Lang, um beim angekündigten Landes-Modellprojekt "Kein Schüler ohne Abschluss" zuzusteigen. Dank der Sanierung Anfang des Jahrzehnts kann sich die Raum- und Sach-Ausstattung sehen lassen. Ein Schüler-Treff wird derzeit eingerichtet, eine Lernwerkstatt zum Selber-Lernen und ein Computer-Raum stehen bereit, auch ein von Schülern als Projekt betriebener "Second-Hand-Laden" findet hier Platz.Wie funkelnagelneu blinken die Naturwissenschafts-Säle, Schränke bergen Fach-Utensilien aller Art. Nur dass sie leider selten zum Einsatz kommen. "Keine Ahnung, wann dieser Schrank zuletzt auf war", sagt Schulleiter Lang in einem Anflug vom Galgenhumor beim Besichtigen den Biologie-Saals. Es gibt nämlich keinen einzigen Fachlehrer, der die Kapazitäten nutzen könnte. Und mangels Bewerbern im Lande ist auch keine Besetzung in Aussicht. Da helfen auch nicht die Stiftungen und Geldgeber, die Lang für viele Projekte aufgetrieben hat. Für große Sprünge reicht es ohnehin nicht, fehlen doch im kleinen Förderverein der Schule die reichen und einflussreichen Eltern, die es in anderen Stadtteilen reichlich gibt. Trotzdem will der Rektor einen neuen Schwerpunkt etablieren, gerade angesichts der heterogenen Schülerschaft: Der musische Bereich soll an Gewicht gewinnen. Denn niemand weiß besser als die Kurfürst-Balduin-Schule, dass es weniger auf das Pauken von Stoff als auf das Lernen von Verhaltensweisen ankommt. Morgen in unserer Serie: Die Grundschule Biewer.

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