Vorspiel zur Turmsanierung startet: An St. Gangolf in Trier entsteht in zwei Phasen eine spektakuläre Gerüstkonstruktion

Trier · Die Gangolf-Kirche am Hauptmarkt wird zu einer beispiellosen Baustelle. Nicht die dringend notwendige Statik-Sanierung des Turms ist die große Herausforderung, sondern der Bau des Gerüsts: Alleine die Errichtung der Sonderkonstruktion, die den Turm komplett umschließen wird, aber nur an zwei Seiten auf dem Boden stehen kann, nimmt zehn Wochen in Anspruch.

Trier. Nein, auch bei noch so langem Nachdenken kann sich Architekt und Bauleiter Karl Feils (47) nicht an einen vergleichbaren Fall in Trier erinnern. Die Gerüstkonstruktion, die zur statischen Sanierung des Turms der Marktkirche St. Gangolf benötigt wird, hat es in sich. Notgedrungen. Weil das Gotteshaus fast komplett umbaut ist, kann das Baugerüst nur auf zwei Seiten auf dem Boden gründen - auf insgesamt vier verschiedenen Grundstücken. Darüber hinaus muss die Last der unteren Gerüsthälfte auf den Turm verteilt werden, der dazu mit Stahlelementen im Glockenstuhl versehen wird. Die Krönung: Über diesem Schaftgerüst wird ein weiteres Gerüst entstehen, ein Raumfachwerk, das den Turmhelm umschließt und bis in 70 Meter Höhe reicht.
Angesichts der Ausschreibungs-Anforderungen hätten die meisten regionalen Gerüstbauer gleich abgewunken.

Zu knifflig - das ist auch der Grund, warum die Arbeiten an St. Gangolf nicht wie ursprünglich vorgesehen im vergangenen Herbst begonnen haben. Die komplizierten Statik-Berechnungen lagen erst Ende des Jahres vor. Den Zuschlag für den Gerüstbau hat die Spezialfirma Schimmer aus dem hessischen Weiterstadt erhalten.

Heute beginnt das spektakuläre Vorspiel zum Sanierungsprojekt. Zunächst entsteht ein überdachter Schutzgang, der das Portal am Hauptmarkt mit dem Seiteneingang der Kirche verbindet und auch von den Bauleuten genutzt wird. Deshalb ist St. Gangolf bis morgen, Freitag, geschlossen. Die Messen (12 und 18 Uhr) und die Beichte finden an beiden Tagen in Liebfrauen statt.Risikofaktor: Der Turm im Turm


In den nächsten Tagen werden rund 65 Tonnen Gerüstmaterial herangekarrt, die dann sechs Wochen lang zu einer knapp 40 Meter hohen Konstruktion (bis zur Balustrade) montiert werden. Wenn im Sommer weitere 50 Tonnen für das Raumfachwerk folgen, läuft im Turm-Inneren längst die Mission Statik-Sanierung. Die ist nötig, weil das (Ende 2012 abgeschaltete) Glockengeläut der Stabilität des gesamten Bauwerks zusetzt. Ursache des Übels ist der "Turm im Turm", eine vor 80 Jahren gebaute, frei stehende Stahlkonstruktion, an deren oberen Ende die fünf Glocken hängen. Sie ist so schwer beschädigt, dass es beim Kompletteinsatz des Geläuts zu Resonanz überlagerungen kommt, die den Kirchturm wackeln lassen. Nun wird der Stahlturm teilweise abgerissen und durch einen klassischen Glockenstuhl aus Holz ersetzt werden.

Und wenn schon einmal saniert wird, dann lässt sich auch gleich eine andere Malaise des mittelalterlichen Kirchturms beheben: Der im Lauf vieler Jahrzehnte um 77 Zentimeter aus dem Lot geratene Turmhelm erhält einen stabilen U nterbau. Au ßerdem stehen Steinreparaturen, eine Auffrischung des Außenanstrichs und eine Abdichtung der Balus trade auf dem Programm.

Die Gesamtkosten schätzt Architekt Feils auf 930 000 Euro, wobei ein gutes Drittel auf die Gerüstkonstruktion entfällt. Die finanzielle Hauptlast tragen Bistum und Pfarrei. Zuschussanträge wurden unter anderem bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gestellt. Wenn Feils\' ehrgeiziger Bauzeitenplan aufgeht, ist St. Gangolf Ende Oktober wieder stabil und gerüstfrei. An Allerheiligen will Pfarrer Hans Wilhelm Ehlen (72) das fünfstimmige, auf Dom und Liebfrauen abgestimmte Geläut nach fast drei Jahren Sendepause "endlich wie der erklingen lassen".

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