Wählerauftrag abgelehnt: Stadträte kandidieren für Ortsbeiräte, in die sie gar nicht einziehen wollen

Trier · Nehmen Sie das Mandat an? Diese Frage haben nach der Kommunalwahl mehrere gewählte Ortsbeiratsmitglieder verneint. Unter anderem deshalb, weil sie gleichzeitig für Stadt- und Ortsbeirat kandidiert hatten.

Der neue Trierer Stadtrat wird wohl schon bald sein erstes Mitglied verlieren: Christoph Lentes (CDU) zieht nächstes Jahr nach Pellingen und scheidet dann nicht nur aus dem Stadtrat, sondern auch aus dem Heiligkreuzer Ortsbeirat aus. Dass er aus Trier wegzieht, stand bereits im März und damit zwei Monate vor der Kommunalwahl am 25. Mai fest. "An einem Sonntag im März haben wir uns das Grundstück in Pellingen angeschaut, montags haben wir uns zum Kauf entschieden", berichtet der Heiligkreuzer CDU-Vorsitzende. Demnächst wollen seine Frau und er den Bauantrag einreichen. Ein Fertighaus soll es werden. "Wann genau wir 2015 umziehen, steht noch nicht fest. Wenn\'s Haus fertig ist halt."
Nur zwei Monate bevor die Familie ihren Wegzug aus Trier so plötzlich beschloss, hatte die CDU Lentes auf Platz 18 ihrer Kandidatenliste für den Stadtrat nominiert. Seit der Kommunalwahl gehört der 47-Jährige nicht nur dem Stadtrat an, sondern auch weiterhin dem Heiligkreuzer Ortsbeirat. Dort hatte er auf Listenplatz 1 kandidiert und einen engagierten Wahlkampf für seine Partei geführt.
Auch die Partei war damals schon über den geplanten Wegzug informiert. "Ja, wir wussten seit März, dass Herr Lentes in den Landkreis zieht, haben aber die Kandidatenlisten für die Kommunalwahl so belassen - wir wollten keine Unruhe", erklärt Ulrich Dempfle, Vorsitzender der Trierer CDU-Fraktion im Stadtrat. Auch Parteichef Bernhard Kaster findet die Sache nicht anstößig: "Es kommt immer wieder vor, dass Ratsmitglieder nach der Wahl wegziehen. Und jetzt wohnt Herr Lentes ja auch noch in Trier, es ist ja bislang gar nicht absehbar, wann er tatsächlich umzieht."
Während Lentes seine Mandate zumindest angetreten hat, hat Ulrich Dempfle von vorneherein auf seinen bei der Wahl errungenen Sitz im Heiligkreuzer Ortsbeirat verzichtet. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat hatte im Ortsbeirat auf Listenplatz 15 kandidiert, war aber durch die Gunst der Wähler auf Platz fünf nach vorne geschossen - und damit in den Ortsbeirat gewählt.
"Ich bin zurückgetreten, weil ich als Stadtratsmitglied in meinem Heimat-Ortsbeirat ohnehin als kooptiertes Mitglied Rederecht habe", erklärt Dempfle seinen Mandatsverzicht. "Meinen gewählten Sitz im Heiligkreuzer Rat habe ich daher im Sinne der Wähler für ein anderes CDU-Mitglied freigegeben."
Dass in einer repräsentativen Demokratie die Wähler ihre Stimme per Wahl an ihren bevorzugten Vertreter übertragen, Dempfle dieses Stimmrecht jedoch nicht wahrnimmt, darin sieht der 54-jährige Notar kein Problem. Und Kaster auch nicht: "Jeder kann jederzeit von seinem Mandat zurücktreten", erklärt der Parteichef und Bundestagsabgeordnete. "Es ist gängige politische Praxis im ganzen Land, dass Kandidaten, die in den Stadtrat gewählt werden, auf ihr Ortsbeiratsmandat verzichten."
Dempfle war CDU-Spitzenkandidat, sein Einzug in den Stadtrat stand damit außer Frage. Warum er trotzdem für den Heiligkreuzer Rat angetreten ist, wenn zwei parallele Mandate von vorneherein ausgeschlossen waren? "Aus Verbundenheit mit seinem Stadtteil!", erklärt Kaster.
Tatsächlich hat sich nicht nur CDU-Stadtrat Dempfle für einen Ortsbeirat aufstellen lassen, dem er gar nicht angehören wollte. Auch Thomas Neises und Andreas Schleimer waren bei der Kommunalwahl nicht nur für den Stadtrat, sondern auch auf den Plätzen drei und vier der SPD-Liste für den Pfalzeler Ortsbeirat angetreten. Ihre Stadtratssitze haben beide angenommen - die Mandate für den Ortsbeirat nicht.
"Bei uns war es allerdings so, dass wir beide keine sicheren Listenplätze für den Stadtrat hatten. Hätte es mit einem Stadtratsmandat nicht geklappt, hätten wir beide selbstverständlich unsere Sitze im Ortsbeirat angenommen", erklärt Neises.
Während Neises und Andreas Schleimer nicht unbedingt mit dem Einzug in den Stadtrat rechnen konnten und Dempfle in Heiligkreuz auch eher unerwartet vom hinteren Listenplatz 15 auf Platz fünf nach vorne gewählt wurde, war die Sache bei Christiane Probst schon eher vorhersehbar: Genau wie bei Dempfle war der Spitzenkandidatin der FWG ein Platz im Stadtrat so sicher wie das Amen in der Kirche.
Für den Ortsbeirat in ihrem Heimatstadtteil Ruwer kandidierte die bekannte Bankerin zusätzlich auf Platz 6, wurde von dort auf Platz zwei nach vorne und damit in den Ortsbeirat gewählt - und gab ihr Mandat umgehend nach der Wahl zurück.
"Um Präsenz zu zeigen", habe sie trotz sicherem Stadtratssitz auch für den Ortsbeirat kandidiert - ohne, dass sie in diesen habe einziehen wollen. "Ich sehe darin kein Problem - zumal es solche Fälle ja auch quer durch alle Parteien gibt", sagt die 44-Jährige.Extra

Neben den vier Stadträten Ulrich Dempfle (CDU), Andreas Schleimer, Thomas Neises (beide SPD) und Christiane Probst (FWG) haben nach der Kommunalwahl drei weitere gewählte Kandidaten ihre Mandate in Ortsbeiräten nicht angenommen: Gerhard Vogtel (CDU, Heiligkreuz), Birgit Bach (Bündnis 90/Die Grünen, Euren) und Hans-Herbert Sandkühler (Bündnis 90/Die Grünen, Tarforst). Außerdem haben alle Ortsvorsteher ihre Mandate für die jeweiligen Ortsbeiräte abgelehnt. Das ist allerdings üblich. Denn das Kommunalwahlgesetz sieht eine Unvereinbarkeit zwischen dem Amt als Ortsvorsteher und einem gleichzeitigen Mandat als Ortsbeiratsmitglied. Gewählte Ortsvorsteher legen daher generell ihr Beiratsmandat nieder. woc

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