Wanderschaft zurück ins Leben

Bert Simon trägt immer noch schwer an dem Verbrechen, das ihn fast das Leben kostete. Nach einem Mordversuch kämpft er sich zurück ins Leben. Mit seiner Geschichte marschiert er als Botschafter der Opferhilfe-Organisation Weißer Ring durch Deutschland und auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela.

 Wanderschaft zurück ins Leben: Bert Simon (Mitte) trägt schwer an seinem Schicksal. Die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring hat ihm geholfen. In Trier trifft er den Trierer Vertreter des Weißen Rings Claus Bermes (rechts) und Polizeipräsident Manfred Bitter. TV-Foto: Cordula Fischer

Wanderschaft zurück ins Leben: Bert Simon (Mitte) trägt schwer an seinem Schicksal. Die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring hat ihm geholfen. In Trier trifft er den Trierer Vertreter des Weißen Rings Claus Bermes (rechts) und Polizeipräsident Manfred Bitter. TV-Foto: Cordula Fischer

Trier. Schon früher war Bert Simon ein Reisender. Als Expeditionsfotograf. Seit dem 14. März ist der 37-Jährige wieder auf Wanderschaft. Aber der Grund ist ein anderer und das Ziel auch. Es ist ein Lauf gegen die Ohnmacht, ein Marsch für Opfer von Gewalttaten. Denn Simon will die Wahnsinnstat, die sein Leben aus den Angeln hob, nutzen, um die Öffentlichkeit auf die Arbeit des Weißen Rings aufmerksam zu machen. Auch in Trier machte er Station, traf Vertreter des Weißen Rings, Politiker und Polizeipräsident Manfred Bitter.Bert Simons Lebensgefährtin Christine berichtete in einer Fernsehsendung über ihre Lungentransplantation. "Damit begann das ganze Drama", erinnert sich Simon. Tanja S., Fleischereiverkäuferin, ebenfalls krank, sah die Sendung, verliebte sich in Christine, nahm Kontakt zu dem Paar auf, das in Hannover einen Verein für Transplantationsbegleitung gegründet hatte. Sie bot ihre ehrenamtliche Mitarbeit an, doch schon bald kippte die Situation.Bert Simon und seine Freundin Christine wurden von ihr jahrelang belästigt, terrorisiert, bedroht. Sie schlich sich in ihr Leben, stand vor dem Haus, beobachtete sie, schickte Tausende E-Mails, SMS, bombardierte sie mit Telefonanrufen. Das Paar suchte Hilfe, unzählige Anzeigen und Unterlassungsklagen gegen die Stalkerin blieben erfolglos.Im August 2006 gab es ein letztes Gespräch zwischen der Stalkerin und Bert Simon in dessen Wohnung. "Friedlich, zivilisiert" und nahezu versöhnlich sei es verlaufen, aber "diese zwei Stunden waren ein einziges Täuschungsmanöver". Alles gipfelte in einem Schlag auf Simons Hinterkopf, den die Täterin mit einem Hammer führte. Simon versuchte sich zu wehren, konnte eine Freundin anrufen, zerrte die Täterin ins Treppenhaus. Die zog ein Fleischermesser, stach ihr Opfer in den Oberschenkel, in die Brust und hätte ihre Tat vollendet, wäre nicht ein Nachbar eingeschritten.Äußerlich sind Simons Wunden verheilt. Verkraftet hat er dieses Attentat bis heute nicht. Obwohl er scheinbar mit Distanz seine Geschichte erzählt, Simon ist tief traumatisiert. Schlaflosigkeit, Alpträume, Gewichtsverlust, Suizidgedanken sind die Folge. "Blut klebt, vor allem an der Seele. So eine Tat erschüttert das Lebensfundament." Sich ins Leben zurück zu kämpfen, sei ein fast unmöglicher Kraftakt. Ein weiterer Rückschlag war der Tod seiner Lebensgefährtin. "Diese Brücke, die meine Verbindung zum normalen Leben war, ist verbrannt." Die Täterin wurde zunächst zu acht, in der zweiten Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt.Suche nach neuen Wurzeln

Es ist eine Flucht vor dem, was passiert ist, auf der sich Simon auf seinen Langstrecken-Wanderungen seither befindet. Es ist auch eine Suche nach neuen Wurzeln. "Ich hoffe, dass mich der Jakobsweg adoptiert, denn er ist Tradition und Wurzel." Und nicht zuletzt ist es eine Pilgerschaft mit Botschaft. "Unsere Gesellschaft ist nicht auf Opfer eingerichtet. Der Weiße Ring ist die einzige Institution, deren Mitarbeiter wissen, wie sich Gewaltopfer fühlen und was für sie wichtig ist." Dafür will Simon auf seinem Marsch werben. Wichtiger als Beileids- und Mitleidsbekundungen, Teddybären vor Haustüren und Kerzen sei eine Mitgliedschaft im Weißen Ring, sagt Simon. "Wir müssen vom Mitleiden zum Mithelfen kommen und dürfen Opfer nach der Tat nicht immer noch den Tätern überlassen."Bert Simon führt ein Tagebuch über seine Reise im Internet: www.bertsimon.com. Vom 2. bis 18. Juni zeigt der Weiße Ring Trier in der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die Ausstellung "Opfer".

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