Warten auf das unbekannte Fest

TRIER. Sie würde gerne noch etwas bleiben, so gut gefällt es Natsumi Fujiwara in Trier. Doch am 7. Januar heißt es für die japanische Austauschschülerin nach einem Jahr Abschied zu nehmen.

Die Sacher-Torte schmeckt klasse. An der festlich gedeckten Kaffeetafel käme wohl keiner darauf, dass eine junge Japanerin diesen feinen Kuchen gebacken hat. Zumal die 18-Jährige aus Fernost weder mit dem hiesigen Bäckerhandwerk noch mit der Zunft der Konditoren jemals in Verbindung stand. Deutsch, oder besser: europäisch kochen und backen lernte Natsumi Fujiwara bei Marie-Luise Pott und Wolfgang Weil, ihrer Trierer Gastfamilie."Abfallprodukt" deutsche Küche

Klar, dass es bei ihrem Deutschland-Jahr nicht darum ging, sich die deutsche Kochkunst anzueignen. Für Natsumi Fujiwara war dies vielmehr ein "Abfallprodukt" bei ihrem Aufenthalt: Die deutsche Sprache in Wort und Schrift erlernen und Land und Leute kennen lernen lautete die Vorgabe für den Gastaufenthalt, der vom Verein "AFS Interkulturelle Begegnungen" organisiert und begleitet wird. "Natsumi hat sich für alles interessiert", lobt Marie-Luise Pott ihre Schülerin. Die Chemie hat gestimmt zwischen der jungen Japanerin und den Gasteltern. Bei ihrer Ankunft im Februar waren ihre Deutsch-Kenntnisse gleich Null. Heute spricht sie perfekt, und ihr ist sogar die eine oder andere Trierer Eigenart nicht unbekannt.US-Touch mit viel Plastik

Weder ihre Heimatsprache noch sonst etwas habe sie vermisst. Mit wem auch hätte sie japanisch sprechen sollen? Nicht einem einzigen Landsmann sei sie begegnet, trotz vieler Besucher in der Stadt. Die Trier-Gäste aus Fernost sind vorwiegend Chinesen. Ihre Telefonate nach Japan beschränkten sich auf ganz wenige. E-mails an die Mutter habe es ein paar mehr gegeben. Ein reger Austausch mit Zuhause sei nicht erwünscht, sagt Marie-Luise Pott, damit der Erfolg des Gastaufenthalts nicht gefährdet würde. So kurz vor der Abreise denkt Natsumi Fujiwara jetzt öfter an Zuhause. Am 10. Januar müsse sie wieder die Schulbank drücken. Vom Unterricht in der elften Klasse des Auguste-Viktoria Gymnasiums ist sie begeistert - und wundert sich, dass einige Mitschüler interessiert seien an ihrer Heimatsprache und an den bekanntesten Japan-Rockbands. Spannend war für die 18-Jährige die Adventszeit. Nikolaus, Adventskranz - all das kannte sie nicht. Auch Weihnachten werde ganz anders gefeiert in Japan. Man sitze mit Freunden zusammen, "aber nicht so wie hier". Kleine Geschenke gebe es zwar. Das Ganze habe jedoch einen amerikanischen Touch mit viel Plastik. Ganz gespannt erwartet sie daher Heiligabend und das deutsche Weihnachtsfest. . . Wer Austauschschüler (ab Februar, wahlweise ein halbes Jahr oder ein Jahr) aufnehmen möchte, wende sich an Gisela Hertel vom Verein AFS in Konz, Telefon: 06501/5464, gihertel@t-online.de

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