Welschnonnenkirche in Trier - Verschwindet das Schmuckstück wieder hinter einer Mauer?

Trier · Seit dem Abriss der alten Einfriedung an der Welschnonnenkirche wird heftig diskutiert, ob auf eine neue verzichtet werden kann. Laut Stadt geht das nicht, doch es gibt einen Kompromiss.

 Kein Wunder, dass der neue Welschnonnen-Anblick so ungewohnt ist. Die Kirche war jahrelang nicht nur von der Mauer, sondern auch von Unterrichtscontainern verdeckt. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Kein Wunder, dass der neue Welschnonnen-Anblick so ungewohnt ist. Die Kirche war jahrelang nicht nur von der Mauer, sondern auch von Unterrichtscontainern verdeckt. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Foto: Roland Morgen

"Was ist das denn für eine schöne Kirche? Die ist mir noch nie aufgefallen", staunt Martha Schankweiler. Die 66-Jährige stammt aus Südtirol und wohnt im Stadtteil Ehrang. Deshalb gehört die Sichelstraße "bestimmt nicht zu den Wegen, die ich jeden Tag gehe. Aber mich wundert, dass mir diese Kirche vorher nicht aufgefallen ist", erklärt sie dem TV-Reporter, der gerade zum Fototermin vor Ort ist.

Besagtes Gotteshaus ist die Welschnonnenkirche, und deren aktueller Anblick erstaunt auch Menschen, die öfter in der östlichen Altstadt unterwegs sind. "Ein toller Anblick. Ein echter Gewinn für Trier", pflichtet Rechtsanwältin Rike Henkes-Wabro (36) bei, die auf dem Weg zu ihrer nahegelegenen Kanzlei ist.

Das Entzücken der beiden Damen wandelt sich in Entsetzen, als sie vom TV-Reporter erfahren, dass der komplett freie Blick bald getrübt wird. Das sei doch "sehr, sehr schade". Es ist aber auch nicht ganz abwegig. Denn der Ort ist ein ganz besonderer mit ganz besonderen Gesetzmäßigkeiten und unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die Welschnonnenkirche gehört zu einem Gebäudekomplex, der ursprünglich Kloster der Welschen Nonnen war, die sich ab 1641 der Mädchenerziehung widmeten. Der Orden war bis 1875 in Trier tätig. Das Kloster gehört heute zum Auguste-Viktoria-Gymnasium (AVG), die Kirche dem Verein Marianische Bürgersodalität von 1610 (MBS).

In den vergangenen Jahren war das Areal Großbaustelle. Die Stadt Trier brachte den barocken Klosterbau auf Vordermann, die MBS bremste per Außenrestaurierung den am Gotteshaus nagenden Zahn der Zeit. Als die Stadt die - zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörende - Mauer entlang Sichel- und Flanderstraße wegen Baufälligkeit abriss, war bei der MBS der Jubel groß: "Ohne" kam ihr in frischem Glanz strahlendes Barock-Kleinod besser zur Geltung denn je. Doch im Rathaus dachte man nicht im Entferntesten daran, den mauerlosen Zustand zu belassen. Die blickdichte Einfriedung werde wiederkommen, hieß es. Sie sei vonnöten, weil die Fläche zwischen Kirche und Straßenraum als Schul- und Sporthof genutzt werden soll; zudem gelte es, ein historisches Bild zu erhalten, schließlich habe an dieser Stelle immer eine Klostermauer gestanden (der TV berichtete).

In letzterem Punkt hatte die Stadt Unrecht, denn mehrere Leserbriefschreiber belegten, dass die abgerissene Mauer alles andere als historisch, sondern das Resultat einer im 20. Jahrhundert veränderten Straßenführung war.

Seit Januar gingen im Baudezernat zahlreiche Schreiben von Mauergegnern ein. Die Stadt organisierte daraufhin zwei Ortsbesichtigungen, die tatsächlich einen Sinneswandel bewirkten. "Wir haben im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege einen Kompromiss gefunden", erklärt Baudezernent Andreas Ludwig nun. "Die Mauer wird nicht in geschlossener Bauweise realisiert. Sie erhält insgesamt vier vergitterte Öffnungen." Sichtfenster also, die den Blick freilassen auf Welschnonnen. Zudem wird die rund 90 Meter lange Mauer niedriger als zunächst geplant: zwei statt 2,30 Meter.

AVG-Schulleiter Timo Breitbach (41) trägt die Lösung "ausdrücklich mit", wie er auf TV-Anfrage erklärt; "Wir wollen uns nicht hinter Mauern verstecken, sondern als Unesco-Projektschule Offenheit signalisieren". MBS-Präfekt Anton Viktor Wyrobisch erfährt per Anruf vom TV von der Wende im Mauerzoff: "Wirklich? Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht. Mir fällt ein Stein vom Herzen", sagt der 69-Jährige.

Alles andere als eine wenigstens zum Teil "durchsichtige" Mauer wäre aber auch "verrückt": Die Welschnonnenkirche wurde mit einem Aufwand von bislang gut 370.000 Euro restauriert. Weit mehr als 1000 Sponsoren, Spender und Dachpaten haben das Geld zusammengebracht. "Ihnen sind wir es schuldig, dass die Welschnonnenkirche nicht weiter versteckt wird." Das Einlenken der Stadt nennt Wyrobisch ein schönes Geschenk zum 300-jährigen Bestehen der Kirche.

Kommentar

Mit diesem Kompromiss können alle leben

Nieder mit den Alpen! Freie Sicht aufs Mittelmeer! Diesen Evergreen aus der Schülersprüche-Kiste hätte die Marianische Bürgersodalität im übertragenen Sinn gerne für die Welschnonnenkirche umgesetzt gesehen: Keine Mauer soll mehr den Blick aufs frisch herausgeputzte Barock-Kleinod verbauen. Doch im Gegensatz zum US-amerikanischen Mauerprojekt an der Grenze zu Mexiko macht die Einfriedung entlang Sichel- und Flanderstraße Sinn. Denn der Platz dahinter wird Schul- und Sporthof des Auguste-Viktoria-Gymnasiums.

Andererseits kam die Stadt nicht umhin, ihre ursprünglichen Pläne einer komplett blickdichten Ummauerung fallen zu lassen. Schüler, die vor neugierigen Blicken Außenstehender geschützt werden sollen, halten sich an rund 180 Tagen pro Jahr dort auf. Da wäre alles andere als das gemachte Blickfenster-Zugeständnis arg realitätsfremd.
r.morgen@volksfreund.de

300 JAHRE WELSCHNONNENKIRCHE

Die Welschnonnenkirche (Baubeginn am 4,. August 1714, Weihe am 3. Oktober 1717) ist Triers einziges Gotteshaus, das in den schlichten Formen des Hochbarock erbaut wurde. Sie gehört der Marianischen Bürgersodalität von 1610. Ein 2000 gegründeter Förderverein soll helfen, die Kirche vor dem Verfall zu bewahren, sie (neben regelmäßigen Gottesdiensten) auch kulturell zu nutzen und die kostbare Stumm-Orgel zu erhalten. Mehr Infos:
www.welschnonnenkirche.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort