Wende im Schadstoff-Prozess

Seit zwei Jahren beschuldigt die Stadtverwaltung Trier den Abbruch-Unternehmer Reinhard Ellert, er sei ein Betrüger. Der Vorwurf: Ellert habe eine imaginäre Schadstoff-Belastung im Hindenburg-Gymnasium vorgetäuscht, um einen lukrativen Entsorgungs-Auftrag zu erhalten. Das Amtsgericht Trier will jetzt untersuchen lassen, ob diese Belastung tatsächlich imaginär ist.

Trier. Das Drama begann im Spätherbst 2006. Ellerts Unternehmen hatte als günstigster Anbieter den Bodenabbruch in der HGT-Aula im Auftrag der Stadt Trier übernommen. Das Team fand dort zwischen PVC und Estrich eine schwarze Substanz. Reinhard Ellert zog Rainer Grünen von der BSM Bausanierungs GmbH hinzu. Grünen sah sich die Lage vor Ort an und nahm eine Probe der Substanz.

Diese Probe wurde von der Institut Koldingen GmbH aus Burgwedel in Niedersachsen analysiert. Das Ergebnis: Die Menge der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) lag bei 190 Milligramm pro Kilogramm. PAK gelten als krebserregend und schädlich für das Immunsystem.

Ellert informierte das Amt für Gebäudewirtschaft über die Sachlage und bot die Entsorgung des schwarzen Klebers an. Doch das Amt kündigte den Auftrag mit sofortiger Wirkung. Peter Dietze, damals Baudezernent der Stadt Trier, zeigte Ellert wegen Betrugs an. Die Stadt beauftragte die Analytis Gesellschaft für Laboruntersuchungen mbH damit, selbst Proben zu nehmen und zu analysieren. "Analytis hat insgesamt sechs Proben genommen", sagte gestern Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt Trier. Alle waren unverdächtig. Keine Gefahr im HGT.

Diese Situation hat sich bis heute nicht verändert. Auf der einen Seite steht das bedenkliche Ergebnis der Untersuchung des Instituts Koldingen, auf der anderen die beruhigende Erkenntnis von Analytis. Gestritten wurde seitdem ausschließlich über die Frage, ob Ellert seine Probe tatsächlich im HGT genommen hat - oder eben nicht. Dann wäre er ein Betrüger.

Das Amtsgericht hatte jedoch nach einer Verhandlungsdauer von sechseinhalb Stunden am Ende des ersten Prozesstages eine andere Priorität. Der Vorsitzende Richter Wolf-Dietrich Strick setzte das Verfahren aus und ordnete an, ein unabhängiger Gutachter solle den Boden unter der Aula-Bühne noch einmal untersuchen. "Das ist aus meiner Sicht ein großer Erfolg", sagte Ellert gestern. "Dieser Rechtsstreit ist für mich seit zwei Jahren wirtschaftlich und persönlich eine unglaubliche Belastung. Ich bin froh, dass es jetzt vorangeht und die Debatte sich endlich um ihren Kernpunkt, nämlich die Schadstoff-Belastung, dreht." Noch steht nicht fest, wann der Prozess fortgesetzt wird.

Meinung

Zuerst klären, dann streiten

Zwei Jahre lang beharrte die Stadt Trier darauf, im Hindenburg-Gymnasium sei alles in Ordnung, es gebe keine Schadstoffe im Boden der Aula, Reinhard Ellert sei ein Betrüger. Zwei Jahre lang war die Untersuchung des Büros Analytis das Maß aller Dinge, die Ergebnisse der vom Institut Koldingen untersuchten Probe verwarf die Stadt als Fälschung. Zwei Jahre lang blieb die Frage offen, ob es eine Gefahr für Schüler und Lehrer des HGT gab oder gibt. Ein Richter muss kommen und fordern, was der gesunde Menschenverstand schon von der ersten Minute an diktiert hat: Es muss geklärt werden, warum zwei Untersuchungen zwei völlig unterschiedliche Ergebnisse liefern. Die Klärung der Schadstoff-Frage hat Priorität. Die hatte sie schon immer. j.pistorius@volksfreund.de

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