Wenn Weine mollig sind

TRIER. Gute Kombination: Edler Riesling aus dem Jahrhundert-Jahrgang 2003 und die Kommentierung durch Claus Piedmont machten die Weinprobe der Stadt Trier im Keller des Palais Kesselstatt zu einem Erlebnis. Ein geplanter Programm-Höhepunkt musste jedoch vertagt werden: Den begehrten Trierer Weinpreis erhält Karthäuserhof-Besitzer Christoph Tyrell erst morgen Abend.

"Australien-Riesling ist etwas ganz Feines. Der kostet 28 Aus-tralische Dollar und hat etwa 15 Prozent der Qualität von Mosel-Riesling." Sprüche wie dieser kommen nicht in jeder Runde gut an. In diesem Fall aber passen sie vorzüglich. Claus Piedmont (46) weiß, was sein Publikum hören will. Deshalb hat OB Helmut Schröer den Weinprüfer und Gutsbesitzer aus Konz-Filzen zum vierten Mal in Folge als Kommentator der jährlichen Stadt-Weinprobe engagiert. Der rhetorisch versierte Charmebolzen Piedmont könnte einem den gewöhnungsbedürftigsten Fusel schön schwätzen. Muss er aber nicht, denn sein Sujet rangiert am entgegen gesetzten Ende der Qualitäts-Skala. Diesmal stehen 2003er Rieslinge der Trierer Weingüter-Elite (Dom, FWG, Vereinigte Hospitien, Karthäuserhof, Kesselstatt, Staatsweinbaudomäne, Deutschherren-Hof, von Schubert, von Nell, Wahlen, Schleimer, Gehlen und Terges) im Blickpunkt. Eine Leistungsschau mit 14 edlen Tropfen, die sich in einem verdeckten Test qualifiziert haben für die Probe in den Kellergewölben des Palais Kesselstatt. Dort läuft Piedmont zu bewährter Hochform auf und versorgt die knapp 170 geladenen Gäste - VIPs und verdiente Ehrenamtliche - kenntnisreich mit Informationen und nützlichen Tipps rund um die von der Winzertanzgruppe Mehring kredenzten Rebensäfte.Weinpreis 2005 geht an Christoph Tyrell

Der staunende Gast erfährt, warum man von dem einen Wein besser nicht mehr als einen Liter pro Tag trinken sollte und sich bei einem anderen "theoretisch sechs Personen an einer Flasche aufhalten können". Piedmont lässt ohne Manuskript oder Spickzettel seiner wortschöpferischen Ader freien Lauf, arbeitet sich über "Charakterkanten", "deformierte Säuren", "mit reichlich Eichenlaub, mit Schwertern dekorierte Gewächse" sowie Prädikate wie "recht maskulin", "gut gefällig" und "mollig" vor bis aufs weite Feld kommunaler Finanzen ("Sehr gut zu dieser Auslese passt Gänseleberpastete - aber Sie kennen ja die Haushaltslage der Stadt Trier"). Laslo Lukas, der gemeinsam mit seinen Stadttheater-Kollegen Frank Brochhagen (Piano) und Evelyn Czesla (Sopran) für die musikalische Umrahmung sorgt, lässt sich von Piedmont schelmenhaftig inspirieren. Der Bariton intoniert "Dein ist mein ganzes Herz" aus Franz Lehárs "Land des Lächelns" durch die Publikumsreihen schreitend und postiert sich bei der Textstelle "Wie wunderbar ist Dein leuchtendes Haar" genau hinter einem Glatzen-Träger. Nach zweieinhalb genussvollen und kurzweiligen Stunden ist der Spaß leider schon zu Ende. Länger hätte es gedauert, wenn, wie in solchen Fällen üblich, der neue Träger des städtischen Weinpreises seine Auszeichnung entgegen genommen hätte. Da Preisträger Christoph Tyrell am Proben-Abend verhindert war, überreicht OB Schröer ihm das in Silber getriebene Rieslingreben-Blatt der Stadt Trier morgen Abend im Karthäuserhof (Ruwer-Eitelsbach). Wer Claus Piedmont in Aktion erleben möchte: Im Rahmen des Wein&Gourmet-Festivals organisiert er in seinem Weingut zwei kulinarische Abende (26. und 27. April, jeweils 19 Uhr). Thema: "Vom alten und neuen Wein mit kleinen Schweinereien"; Anmeldung: Telefon 0715/4124886.

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