Wenn der Bäcker zweimal klingelt

IRSCH. Im 2400-Einwohner-Stadtteil ist es um die Nahversorgung schlecht bestellt. Die Sonderangebote auf der grünen Wiese und in der City haben den meisten der kleinen Geschäfte den Garaus gemacht, aber nicht allen.

 Nur wenn der mobile Bäcker klingelt oder hupt, kommt man zu seinem täglich Brot. Drei Bäckereien beliefern mit ihren Fahrzeugen den Stadtteil.Foto: Jutta Edinger

Nur wenn der mobile Bäcker klingelt oder hupt, kommt man zu seinem täglich Brot. Drei Bäckereien beliefern mit ihren Fahrzeugen den Stadtteil.Foto: Jutta Edinger

Samstag Vormittag: Die Familien in der Irscher Straße steigen reihum ins Auto und nehmen Kurs auf Tarforst. Doch sie machen keinen Ausflug, sondern "fahren kaufen". Die Zeiten, als zum Dorfleben noch der Bäcker und der Kaufmann gehörten, sind auch in Irsch Geschichte. Damals ging man nicht nur der Lebensmittel wegen in den Laden, ebenso wichtig war für viele der nette Plausch. Diese soziale Funktion ist in Irsch verloren gegangen.Der Todesstoß für den kleinen Lebensmittelladen in der Hockweilerstraße kam mit der Eröffnung des Tarforster Einkaufszentrums. Statt Butter, Milch, Käse und Nudeln anzubieten, entschloss sich der Besitzer, an gleicher Stelle Appartements zu vermieten.Autolose Irscher haben Probleme

Seit auch in Olewig der Supermarkt seine Pforten geschlossen hat, sind autolose Irscher und ältere Menschen, die sich nicht glücklich schätzen können, dass die Tochter oder der Sohn ihre Besorgungen erledigt, arm dran: Nun können sie auch nicht mehr mit dem Stadtbus der Linie 26 schnell ihre Siebensachen in Olewig einkaufen.Wer wie Rita Müller in der Mühlenstraße wohnt und mit dem Bus nun den Supermarkt auf der Tarforster Höhe ansteuern will, muss viel Zeit und Energie aufbringen. "Zum Einkaufen muss ich erst hier den Berg hoch laufen zur Haltestelle der Linie 26 und dann an der Kreuzung die Linie 3 nach Tarforst nehmen. Wir sind hier alle zwischen 65 und 80 Jahre alt, da fällt das nicht mehr so leicht", erzählt die allein stehende Frau, die kein Auto hat und nur schlecht laufen kann.Wer nicht selbst motorisiert ist, muss auf einige Vorzüge des Wohnorts Irsch verzichten. Samstags abends sowie an Sonn- und Feiertagen ist die Verbindung nach Filsch und Tarforst abgebrochen, denn die Sternbuslinie 84 bahnt sich den Weg über Olewig zum Hauptbahnhof.Weil der Stadtbus die Irscher nur schlecht in die Geschäfte bringt, fahren Anbieter von Tiefkühlkost und ein rollender Lebensmittel-Laden einige markante Punkte in Irsch an. Das täglich Brot kommt so in Irsch ebenfalls im Wagen, denn der Inhaber der Bäckerei in der Georgstraße hat keinen Nachfolger für die Backstube gefunden. Doch das nötige Bargeld für den Einkauf bei den fahrenden Gesellen bekommt man in Irsch auch nicht mehr. Die Volksbank-Filiale ist geschlossen, die Sparkasse lässt ihre "fahrbare Geschäftsstelle" nicht durch Irsch rollen, eine Post gibt es nicht, und einen Geldautomat sucht man vergeblich."Bei weniger als 5000 Einwohnern zeigt kein Investor Interesse. Geeignete Gebäude gibt es in Irsch einfach nicht", hat Ortsvorsteher Erwin Berg resigniert eingesehen. Und so kamen statt eines Geschäfts wieder nur mehr Wohnungen nach Irsch. Ein Exot im reinen Wohngebiet ist Elektro Dahm in der Georgstraße. Seit 1962 rufen die Irscher den Inhaber Johann Dahm, wenn der Fernseher den Geist aufgegeben hat. Der 73-Jährige macht weiterhin kleine Reparaturen, und seine Tochter will den Laden weiterführen.Ebenfalls aus dem Rahmen fällt ein eigenwilliger Stickwaren-Laden in der Irscher Straße. Gegen den Strom schwimmt auch Dagmar Weyand und beweist: Mit einer guten Geschäftsidee lässt sich auch in Irsch Umsatz machen. Ihr Geschenkartikel-Laden in der Wenzelbachstraße hat sich inzwischen zu einer gefragten Anlaufstelle für ausgefallene Dekorationen und Geschenke für Hochzeiten sowie Firmenpräsente gemausert. 1995 fing sie klein an und hat dann weiter investiert, weil die Nachfrage groß war. Auf Messen versucht sie ausgefallene, geschmackvolle Produkte zu entdecken. Damit verblüfft sie ihre Kunden, die "so was in ganz Trier noch nicht gesehen haben". Für Dagmar Weyand ist das eigene Geschäft in ihrem Wohnhaus ideal, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Für den Wocheneinkauf muss aber auch sie samstags die Familienkutsche in Bewegung setzten.Am Montag in unserer Stadtteil-Serie: das Irscher Original Franziska Wollscheid.

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