Wenn der Oberbürgermeister Bus fährt

Trier. · Kreuz und quer durch die ganze Stadt: Triers OB Wolfram Leibe ließ sich gestern fast sechs Stunden lang durchrütteln, um mit den Fahrgästen ins Gespräch zu kommen. Das ist ihm gelungen.

 Und jetzt alle gut festhalten: Oberbürgermeister Wolfram Leibe unterhält sich im Stadtbus mit Grundschulkindern. TV-Foto: Friedemann Vetter

Und jetzt alle gut festhalten: Oberbürgermeister Wolfram Leibe unterhält sich im Stadtbus mit Grundschulkindern. TV-Foto: Friedemann Vetter


Busfahren ist anstrengend. Nicht nur für den Fahrer, auch für die Passagiere. Die ständig notwendigen Brems- und Beschleunigungsphasen fordern Griff- und Standfestigkeit. Wer vorhat, einen kompletten Vormittag in einem Trierer Linienbus zu verbringen, braucht deshalb gute Nehmerqualitäten.

Um 7.45 Uhr am Freitagmorgen steigt OB Wolfram Leibe in einen SWT-Bus. Er hat vorerst nicht vor, wieder auszusteigen. Stattdessen will er die Fahrgäste ansprechen und sich anhören, was sie ihm alles zu sagen haben. Dieses Angebot kommt einer älteren Dame aus Korlingen gerade recht. "Ich finde keine bezahlbare Wohnung in Trier", sagt sie und erklärt höflich, aber konsequent und deutlich, was sie davon hält. Nichts. Der OB stimmt ihr zu. "Wir brauchen attraktiven und bezahlbaren Wohnraum und haben auch bereits wichtige Weichen gestellt", erklärt er der erzürnten Dame.

Die übrigen Passagiere spitzen die Ohren. Was geht hier vor? Der OB fährt Bus? Er fährt nicht nur mit, sondern geht auf die Leute zu. Als Sonja Thöing mit Söhnchen Oliver im Kinderwagen einsteigt, kümmert er sich persönlich darum, dass die junge Mutter genug Platz hat. Sie freut sich über die Chance, den Verwaltungschef persönlich sprechen zu können. "Es ist für Menschen mit Kinderwagen wichtig, dass die Busse an den Haltestellen absenkbar sind", betont sie und lobt die Bustaktung in ihren Heimatort Kernscheid.

Es geht nicht immer um Verkehrsthemen. Auf dem Weg hoch zur Uni steigt eine Gruppe von Politologen ein und startet erfreut eine Diskussion um Karl Marx. Leibe hält sich mit einer Hand fest und hört mit beiden Ohren zu. Er vermittelt allen Gesprächspartnern an diesem Vormittag den Eindruck, seine volle Aufmerksamkeit zu besitzen.
Es wird auf angenehme Weise laut und bunt, als die Klasse 4 der Grundschule Irsch in den OB-Bus einsteigt. Es dauert nur ein paar Herzschläge, bis die Kinder aus Kernscheid mitbekommen, dass hier Außergewöhnliches vor sich geht. Jasper nutzt die Chance für ein Gespräch unter Männern. Er sei mit seiner Familie nach Trier gezogen und es gefalle ihm hier ausgezeichnet, sagt der Junge und fragt artig, ob er damit dann auch in die Zeitung komme. Na klar, Jasper.

Der OB-Bus erreicht den Petrisberg und damit die Uni. Drei junge Syrer steigen ein. Als der OB sich zu ihnen setzt und sie begrüßt, reagieren sie erfreut. "Gibt es aus Ihrer Sicht Diskriminierung in Trier?", will Leibe wissen. "Nein, wirklich nicht", lautet die Antwort. "Alle Leute sind sehr nett." Zwei haben ihre positiven Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bereits erhalten, doch der Dritte wartet seit 18 Monaten auf eine Rückmeldung. "Das ist eindeutig zu lang", sagt OB Leibe und gibt ihm eine Visitenkarte. "Wenn Sie nach den Sommerferien immer noch nichts gehört haben, rufen Sie mich an."

Und sonst? Der Ton der Fahrgäste bleibt immer höflich, auch wenn es um Kritik an maroden Straßen und verrotteten Spielplätzen geht. Um 13.15 Uhr endet die OB-Bustour vor dem SWT-Gebäude in der Ostallee. Triers Verwaltungschef kann ein leichtes Aufatmen nicht verbergen. "Das hat mich wirklich durchgerüttelt."

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