Wenn die Blätter langsam fallen

Trier · Voneinander lernen: Schüler der Matthias-Grundschule haben sich ein Jahr lang mit demenzkranken Senioren getroffen und darüber einen Film gedreht. Die Premiere wurde zusammen im Broadway-Filmtheater gefeiert.

Trier. "Was haben Kinder, was Erwachsene verlernt haben?", fragt TV-Moderator Dieter Lintz bei der Filmpremiere. "Ich glaube, Erwachsene denken viel zu viel. Kinder gehen natürlicher auf die Demenzkranken zu", antwortet der Angehörige Wolfgang Scholtes. Und genau das hat der Film "Herbst im Kopf" bei seiner Vorführung im Broadway-Kino gezeigt. Selbst gemacht von Kindern der Matthias-Grundschule, unterstützt durch Erwachsene des Unternehmens medien+bildung.com, fasst er die einjährige Zusammenarbeit zwischen Grundschülern und Demenzerkrankten zusammen.
Der Name "Herbst im Kopf" (Titel des Buches von Dagmar H. Mueller) beschreibt die Demenz: Die Blätter, die im Herbst auf den Boden fallen, stehen für das Kurzzeitgedächtnis, das weicht. Der Stamm, der bleibt, für das Langzeitgedächtnis.
Im Film selbst hört man keine Stimme aus dem Off, dafür zeigt er Interviews mit den Kindermoderatoren. Er basiert auf der Kreativität der Schüler und ihren Ideen. Er lebt von den natürlichen Bildern zwischen Alt und Jung, von strahlenden Gesichtern und bunten Farben. Abgerundet wird der Streifen durch Gespräche mit den Beteiligten und den Demenzkranken. "Wir feiern hier", sagt eine Seniorin im Film. Neben Spaß und Spiel lernten die Kinder, Filme nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu produzieren. Allein der Filmschnitt habe drei Wochen gedauert, weil es so viel Material mit eindrucksvollen Szenen gab, so eine Mitarbeiterin von medien+bildung.com. Eindrucksvolle Szenen, die ohne das Projekt "Herbst im Kopf - Kinder und Demenz" nicht zustande gekommen wären.
Christina Steinmetz, ehemalige Leiterin der Matthias-Grundschule, und Uschi Whir vom Demenzzentrum haben das Projekt gemeinsam ins Leben gerufen. "Wir dachten einfach, dass wir Jung und Alt einmal zusammenbringen müssen", sagt Christina Steinmetz.
So haben sich die Schüler der damaligen Klasse 3a einmal pro Monat mit den Demenzkranken im Schammatdorf getroffen. Gemeinsam haben sie die Zeit mit Malen, Spielen und Singen verbracht. "Mir hat besonders gut gefallen, dass wir frei entscheiden durften, was wir mit den Senioren machen", sagt Tanja Trampert, Schülerin der heutigen 4a. Sie habe nun gelernt, wie man mit Demenzkranken richtig umgeht. Auch Sebastian Walther, Schüler der 4a, hatte Spaß: "Mir hat am besten gefallen, dass wir zusammen gebastelt haben. Da konnten wir uns noch gegenseitig etwas beibringen."
Der Angehörige Wolfgang Scholtes, dessen 87-jährige Mutter an dem Projekt teilgenommen hat, ist sich sicher: "Die Demenzerkrankten sind auf der emotionalen Ebene den Kindern sehr nah." Er wusste von Anfang an, dass die Treffen seiner Mutter Spaß machen würden. Schon immer mochte sie malen und singen. "Sie konnte sich zwar nicht mehr erinnern, aber sie war glücklich in den Momenten", sagt Scholtes.
Das Projekt wurde bereits mit dem Brückenpreis des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet und wird seit einem Jahr mit einer anderen Klasse weitergeführt.

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