Wenn es ständig weh tut
TRIER. Schmerzen kennt jeder, sei es beim Zahnarzt oder nach einer Operation. Bei der Bewältigung hilft die Gewissheit, dass auch der stärkste Schmerz nachlassen wird. Aber was, wenn nicht? Schmerzpatienten müssen täglich mit ihren Schmerzen leben. Der TV hat eine Patientin in der Trierer Schmerztagesklinik begleitet.
Mit geschlossenen Augen sitzt Walburga Kiefer auf ihrem Stuhl. "Spüren Sie ihre Füße... den Kontakt zum Boden.... Spüren Sie ihr Herz, wie es kraftvoll schlägt", sagt die sonore Stimme. Walburga Kiefer ist auf einer Reise in ihren Körper. Der Körper, der ihr seit drei Jahren permanent Schmerzen bereitet. Schmerzen, für die es keine akute Ursache gibt. Die 53-Jährige aus Trier ist seit Anfang des Jahres Patientin in der Trierer Schmerztagesklinik. Hier lernt sie, mit ihren Schmerzen zu leben und wieder ein Stück Lebensqualität zurückzugewinnen. Dazu dient auch die Reise in den Körper, sie ist Teil der psychologischen Betreuung in der Tagesklinik. Die Patienten lernen dabei, sich in ihren Körper einzufühlen. Seit 30 Jahren leidet die Verwaltungsangestellte an Rückenproblemen wie so viele, doch vor drei Jahren wurde es richtig schlimm. "Ich hatte nur noch Schmerzen und war nicht mehr belastbar", sagt sie. Zwei Bandscheibenvorfälle, Entzündungen in 25 Gelenken, dazu ein Weichteil-Rheumatismus sind es, die ihr Leben zur Qual machen. Vor allem der untere Rücken verursacht ihr Schmerzen. Es beginnt ein Ärzte-Marathon, wie er bei Schmerzpatienten typisch ist. Verschiedene Ärzte behandeln sie, probieren alles mögliche aus. Aber die Schmerzen lassen nicht nach. Spritzen, Infusionen, Krankengymnastik und Schmerzmittel werden zum Alltag, ohne dass sie wirklich helfen. Die Schmerzen werden chronisch. "Erst nach dreieinhalb Jahren bin ich beim richtigen Arzt gelandet", sagt Walburga Kiefer. Der schickt sie zur Schmerztherapie. Hier kann man ihr die Schmerzen zwar nicht mehr nehmen, aber sie lernt, mit ihnen umzugehen. "Das Schicksal verteilt die Karten, aber sie können frei damit spielen", heißt es in einem Flugblatt. Es soll dazu motivieren, sich nicht zu ergeben, sondern das Beste aus der Situation zu machen, in der man nun mal ist. "Unser vorrangiges Ziel ist es, das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern, erst an zweiter Stelle kommt die Linderung von Schmerzen", sagt Lorenz Fischer, der Leiter der Schmerztagesklinik. Dazu werden die Patienten in Gruppen zu acht Personen zusammengefasst. 120 Patienten durchlaufen so jedes Jahr die Tagesklinik. Die Auslastung liegt bei nahezu 100 Prozent, wie Fischer sagt. "Der Bedarf ist wirklich sehr groß." Dazu kommen rund 1000 Patienten in der Ambulanz. Sechs Wochen dauert die Therapie, die sich hauptsächlich aus einer psychologischen Betreuung und einem physiologischen Training zusammensetzt. Dabei machen die Patienten Wassergymnastik, Nordic Walking und Krafttraining, um ihre Muskulatur zu stabilisieren und ihren allgemeinen Fitnesszustand zu verbessern. Betreut werden sie dabei von Sportlehrer Heinz Wehling. Die psychologische Betreuung unter der Leitung von Gabriele Stephan-Hembach zielt darauf ab, sich mit positiven Gedanken abzulenken, sich nicht von den Schmerzen dominieren zu lassen und Möglichkeiten zu finden, sich zu entspannen. Dazu zählt auch die Reise durch den Körper. Chronische Schmerzen führen leicht in einen Teufelskreis: Die Patienten sind weniger aktiv, ziehen sich zurück, die sozialen Kontakte nehmen ab. Der Körper baut wegen der fehlenden Bewegung mehr und mehr ab. Ohne darauf hoffen zu können, dass die Schmerzen jemals nachlassen, besteht die Gefahr, depressiv zu werden. Die meisten Patienten kommen zu spät
In den vergangenen Jahren entwickelt sich bei den Ärzten das Verständnis von Schmerzen als eigenständiger Krankheit. Damit wächst die Bereitschaft, Patienten früher an die Schmerztherapie zu überweisen. "Aber immer noch kommen die meisten Patienten zu spät, wenn nur noch geringe Hoffnung besteht, die Schmerzen nachhaltig zu lindern", sagt Fischer. Seit ihrer frühen Jugend hat Walburga Kiefer Sport getrieben, erst im Turnverein, dann kam sie über Leichtathletik und Radfahren zum Tennis. Mittlerweile kann sie nichts mehr davon machen, aber sie hofft noch darauf, irgendwann wieder Tennis spielen zu können. Jetzt gehört sie zur Rückenschmerzgruppe 79, sitzt auf einem grünen Gymnastikball und zieht Gewichte in die Höhe. Für die sechs Wochen Therapie ist sie krankgeschrieben, danach kehrt sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Denn nach der Therapie müssen die Patienten alleine weitermachen, selbst die Disziplin aufbringen, ihr tägliches Programm durchzuziehen. "Ich habe hier viel Positives erfahren, das ich mitnehmen werde", sagt Walburga Kiefer. "Ich bin innerlich viel entspannter geworden." Wenn die Patienten lernen, die Schmerzen besser zu bewältigen und wieder an Lebensqualität gewinnen, ist das für Lorenz Fischer ein Erfolg. In den sechs Wochen könne dafür aber nur die Anleitung gegeben werden, sagt Fischer. "Wir können hier nur den Weg aufzeigen."