Wer kein Kabel hat, schaut in die Röhre

TRIER. Der offene Kanal in Trier dreht mächtig auf. Aus der einstigen Abspiel-Station für private Hobby-Filme ist ein Programm-Anbieter geworden, der das ehrgeizige Ziel hat, die lokale und regionale Kommunikation via Bildschirm zu bereichern.

Fröhlich tobt die kleine Jessica über den Bildschirm. Vier Pflegekinder hat die Familie, die in dem professionell gedrehten, geschnittenen und kommentierten Fernsehbeitrag porträtiert wird. Einfühlsam wird das Thema ausgeleuchtet. Liefe dieser Beitrag irgendwo im "großen Fernsehen", niemand würde sich wundern. Aber hier ist kein Profi-Team am Werk, sondern ein 19-jähriger Praktikant. Und gesendet wird im Offenen Kanal Trier. "Ton, Licht, Bild: alles tipp-topp", lobt Otto Scholer, sichtlich stolz auf seinen jungen Mitarbeiter.Gegengewicht: Bürgerfunk

Scholer ist der Vorsitzende des Trägervereins, der in Trier das Programm des Offenen Kanals gestaltet. Und er ist viel mehr als das: Er ist Antreiber, Ideenlieferant, Spendensammler - und wahrscheinlich, auch wenn er es nie zugeben würde, so etwas wie OK-Intendant. Mit solchen Vergleichen aus der realen Medienwelt ist man beim Offenen Kanal vorsichtig. Das hängt mit der Historie dieser Einrichtung zusammen. Mitte der 80er-Jahre, als beim medienpolitischen "Urknall" private Rundfunk- und Fernsehsender entstanden, erfanden Medienpädagogen und -Politiker ein "Gegengewicht": Überall sollte es einen Bürgerfunk geben, um Otto Normalerverbraucher die Chance zu eröffnen, vor Ort ein eigenes Programm zu gestalten. Das Geld für Studios und Technik wurde aus den Fernsehgebühren der GEZ abgezweigt. Um keine Konkurrenzsituation zu den "normalen" Medien zu schaffen, wurde ausdrücklich festgelegt, dass es beim OK keine Werbung, kein strukturiertes Programm und keine Zensur geben dürfe. "Was reinkommt, wird gesendet", lautete die Devise. Mit der Konsequenz, dass sich im OK oft skurrile Weltverbesserer, Heimfilmer und Vereinsmeier tummelten, die stundenlang ihre Mitgliederversammlungen ins Bild setzten. Entsprechend war die Zuschauer-Resonanz. Das hat sich in den vergangenen Jahren in Trier dramatisch geändert. Otto Scholer und der von der zuständigen Landesanstalt LPR als professioneller Betreuer für die Offenen Kanäle der Region eingestellte Christian Köllmer haben eine engagierte Truppe aufgebaut, die sich um ein attraktives Programm kümmert. Zivildienstleistende, ein Azubi, Praktikanten - oft Studenten aus der Medienwisenschaft - und Ehrenamtler sorgen für Präsenz fast rund um die Uhr, nicht zuletzt dank kreativem Computer-Einsatz. Regelmäßige Sport-Übertragungen aus der Arena, Fan-Magazine, Aufzeichnungen von Veranstaltungen in der Stadt, lokale Kultur, Talk im Studio: Das Angebot ist vielfältig. Aber natürlich kann nach wie vor jeder Bürger zur Geschäftsstelle in der Arena pilgern, sich das Equipment ausleihen und seinen ganz persönlichen Film zu jedem beliebigen Thema drehen. Doch die Zeit der "Freaks", hat Christian Köllmer beobachtet, ist vorbei. Wer heute sendet, versucht freiwillig, sich an bestimmte Qualitätsstandards zu halten - auch, was die früher ausufernde Beitragslänge angeht. Seit wenigen Tagen hat man ein neues Programmschema entwickelt. Am Wochenende werden von 17 bis 23 Uhr neu produzierte Beiträge gesendet. Die besten davon gehen in eine "Programmrotation", die täglich von 7 Uhr bis 1 Uhr läuft und die jeweilige Sendung per Zufallsgenerator aussucht. Auf zwei Stunden Beiträge folgt eine Stunde Info-Text, unter anderem mit aktuellen Meldungen aus dem Trierischen Volksfreund. Zuschauer in Trier, Konz, Saarburg, Schweich oder Trier-Land haben so eine größere Chance, sich zu irgendeinem Zeitpunkt des Tages beim OK "einzuklinken". Allerdings nur dann, wenn sie zu jenen 40 000 Haushalten gehören, die über Kabel versorgt werden. Satelliten- und Antennenbesitzer schauen in diesem Fall - in die Röhre.

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