"Wie einen Terroristen behandelt"

TRIER. Eigentlich hatte er nur mit dem Bus fahren wollen, doch dann löste Emil Stegner einen Polizeieinsatz aus. Nichts ahnend hatte der Ehranger einen ungültigen Fahrschein entwertet und wurde prompt von einer Kontrolleurin erwischt.

Ehrang, Haltestelle "Schule": Emil Stegner steigt in den Bus. Routiniert steckt er seinen Fahrschein in den Automaten: es macht ratsch, und rasch ist das Ticket entwertet. Dass es auch ungültig ist, ahnt Stegner noch nicht. Also nimmt er Platz und der Bus seine Fahrt auf. Biewer, Haltestelle "Donaustraße": Beate Wagner (Name geändert) steigt in den Bus. Routiniert prüft die Kontrolleurin Fahrscheine, hier ein Nicken, dort ein "Danke". Nur bei Stegner muss sie passen. Sein Ticket ist zwar entwertet, doch ob es auch gültig ist, muss die Dame noch klären. Wenig später herrscht Gewissheit: Die Vierfahrten-Karte war seit 31. Januar ungültig. Schlecht für Stegner, ist doch inzwischen Februar. Kulanz kann und will er nicht erwarten. Also schlägt der Rentner vor, einen Fahrschein nachzulösen. Das mit dem abgelaufenen Ticket tue ihm leid, und unangenehm sei ihm die Sache auch. Tatsächlich hatten die Verkehrsbetriebe zum Januar die Preise für ihre Vierfahrten-Karte erhöht: von 6,50 auf 6,90 Euro. Ganze zehn Cent mehr kostet die Einzelfahrt seither. Bis Ende Januar durften noch im alten Jahr gekaufte Tickets verbraucht werden, doch dann war Schluss. Im Bus ist jetzt auch Schluss - mit lustig. Stegner soll seine Personalien preisgeben, doch der 72-Jährige weigert sich. Jetzt kommen die Beteiligten erst richtig in Fahrt, und zwei Streifenpolizisten zu ihrem Einsatz. Weil Stegner sich stur stellt, verständigt Beate Wagner die Polizei. Jetzt will der Rentner einlenken, doch es ist zu spät. Stadtzentrum, Haltestelle "Simeonstiftplatz": Stegner wird schon erwartet: Zwei Polizisten und ein Einsatzfahrzeug der Verkehrsbetriebe stehen bereit. Sämtliche Fahrgäste werden aufgefordert, den Bus über den Vordereinstieg zu verlassen. Nur Stegner muss sitzen bleiben. "Wie ein Terrorist" fühlt er sich behandelt, wird er später berichten. Für die Polizei ist der Ehranger kein Unbekannter: Stegner war ja selbst Polizist, 41 Jahre lang. Also "verrät" er jetzt den ehemaligen Kollegen, was er Beate Wagner zunächst verschweigen wollte. Auch die 40 Euro "erhöhtes Beförderungsentgelt" zahlt er noch am selben Tag. Dass Stegner ein "Schwarzfahrer" ist, behauptet nicht einmal Frank Birkhäuer. "Für uns ist erst einmal niemand Schwarzfahrer", betont der Chef der Städtischen Verkehrsbetriebe. "Sonst würden wir den Betroffenen ja gleich eine böse Absicht unterstellen." Birkhäuer nennt Leute wie Stegner "Fahrgäste ohne gültigen Beförderungsschein". Immerhin 898 derartige Zeitgenossen "stellten" die Kontrolleure im vergangenen Jahr, den wenigsten unterstellt Birkhäuer eine Absicht. Allerdings wurden auf 1206 Fahrten gerade mal 27 000 Busnutzer kontrolliert; nicht eben viele bei rund 13 Millionen Fahrgästen jährlich.Korrekt gehandelt

Birkhäuer stellt sich hinter seine Kontrolleurin: Im "Fall" Stegner habe sie korrekt gehandelt. Wer ohne gültiges Ticket auffalle, müsse seine Personalien nennen. "Nur so können wir überhaupt feststellen, ob jemand regelmäßig erwischt wird und ein Schwarzfahrer ist", erläutert er. Nur wer wiederholt auffalle, müsse mit einer Anzeige rechnen. Schließlich ist Schwarzfahren nach wie vor ein Straftatbestand. "Unsere Mitarbeiter dürfen jedoch niemanden zwingen, seine Personalien zu nennen. Das darf nur die Polizei." Dass Stegner im Bus bleiben musste, während alle anderen Fahrgäste umstiegen, erklärt Birkhäuer mit einer Empfehlung und dem Zufall: Zufällig habe gerade ein Wagen bereit gestanden, und grundsätzlich empfehle man den Kontrolleuren, dass der potenzielle Schwarzfahrer im Bus bleibe. Viel zu oft habe es schon Handgreiflichkeiten gegeben, einige der säumigen Fahrgäste seien auch schon getürmt. Stegner wäre weder weggelaufen, noch hätte er um sich geschlagen. Aber auch so ist er ja um eine Erfahrung reicher geworden: "Ich muss mich ja schämen, wenn ich jetzt durch Ehrang laufe".

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