Wie in den 60ern

Volle Hörsäle an der Universität Trier sind nichts Neues. Trotzdem sei der diesjährige Ansturm nicht vorhersehbar gewesen, beharrt die Trierer Uni-Leitung. In einer Studenten-Vollversammlung wurden haarsträubende Zustände offenbar.

Trier. Bevor sich die Studenten am Mittwoch zum Protestmarsch aufmachten (TV von gestern), kamen in ihrer Vollversammlung haarsträubende Beispiele für die Überfüllung der Uni ans Licht: "Die Uni hat 7249 Studienplätze, und mehr als 14 000 sind eingeschrieben", benannte Susanne Knütter, Referentin des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) für Hochschulpolitik, den Kern des Problems. "Die Überfüllung ist die logische Konsequenz einer strukturellen Unterfinanzierung."

Nicht nur das Platzproblem mache das Studieren schwer. Bei den neuen Bachelor-Studiengängen sei den Studenten eine 40-Stunden-Woche vorgeschrieben. "Nebenher arbeiten ist da kaum möglich, und Bafög-Empfänger sind gezwungen, innerhalb der Regelstudienzeit fertig zu werden - werden Studenten aus überfüllten Veranstaltungen herausgeschmissen, ist das kaum machbar."

"Ich sitze in fünf Seminaren mit 70 bis 100 Leuten - vernünftig studieren ist da unmöglich", erklärte eine Studentin. "Mit 70 wäre ich froh, bei uns sind's 400", rief eine andere. "Die Dozenten sagen uns, die Uni-Leitung sei zuständig, und die Uni-Leitung sagt, die Fachbereiche wären verantwortlich", kritisierte ein Student die Schwarze-Peter-Taktik. In der Pädagogik seien zudem zwei Professoren weggegangen. "Jetzt ist niemand mehr da, der uns unsere Prüfung abnimmt", beschwerte sich eine ältere Studentin.

"Wir haben einen Rechtsanspruch darauf, Veranstaltungen besuchen zu können", wandte sich Florian Krause, Sprecher des Asta, an Uni-Kanzler Klaus Hembach. "Der schob tatsächlich den Fachbereichen die Verantwortung dafür zu, dass Lehrveranstaltungen in ausreichender Zahl angeboten werden". Der Studenten-Ansturm auf bestimmte Fächer sei zudem nicht vorhersehbar gewesen. "Wir haben jetzt lediglich ein Raumverteilungsproblem", sagte Hembach - und erntete damit ungläubiges Gelächter.

Dass die Überfüllung nicht vorhersehbar gewesen sein soll, bezweifelt Germanistik-Professor Rainer Wimmer, der im nächsten Jahr in Ruhestand geht: "In meinem letzten Seminar als Student in den 60ern waren wir mit 160 Leuten - und in meinem letzten Seminar, das ich als Professor halte, sind es wieder 160. All die Jahre wurden wir von Bund und Land vertröstet - passiert ist nichts. Es scheint fast, als hätte die Regierung kein Interesse an einer gut ausgebildeten Bevölkerung."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort