Wildtiere sollen künftig draußen bleiben

Trier · Die Stadt Trier will künftig möglicherweise keine Flächen mehr für Zirkusse mit Wildtieren zur Verfügung stellen. Noch ist unklar, ob es dafür eine Mehrheit im Stadtrat gibt. Der Trierer Weihnachtscircus sieht sich zu unrecht an den Pranger gestellt.

Trier. Wer den Dezernatsausschuss III des Trierer Stadtrats besuchte, könnte ein Déjà-vu erlebt haben. Schon 2009 stellte die FDP-Fraktion einen ersten Antrag, Auftritte von Wildtieren im Zirkus im Trierer Stadtgebiet zu verbieten. Die Verwaltung äußerte jedoch rechtliche Bedenken, und das Thema war vom Tisch.

Weihnachtscircus: Jedes Jahr gastiert der Trie rer Weihnachtscircus (siehe Extra) im Trierer Messepark, den die Messe- und Veranstaltungsgesellschaft (MVG) mit der Stadt Trier als Mehrheitsgesellschafter betreibt. 2011 stand eine Vertragsverlängerung mit dem Weihnachtscircus an. Der Stadtrat beschloss damals mehrheitlich, der Verlängerung bis 2019/20 zuzustimmen und dabei keine Auflagen zu Tierdressuren zu machen, die über den bestehenden rechtlichen Rahmen hinausgehen.

Tierschutzverein: Neue Bewegung brachte eine "Kampagne gegen Wildtiere im Zirkus" des Tierschutzvereins Trier und Umgebung. In der Begründung der Petition heißt es: "Enge Käfige, kaum Bewegung - das Leben von Elefant, Löwe & Co. im Zirkus ist nicht schön und schon gar nicht artgerecht." 3012 Menschen, darunter 750 Trierer, unterzeichneten die Petition. Bei der Übergabe versprach Dezernent Thomas Egger, das Thema in die städtischen Gremien zu bringen.

Rechtslage: Zirkusse mit Tierdressuren benötigen eine Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz. Etwa 30 deutsche Städte haben ein Auftrittsverbot für Wildtiere beschlossen. Eine höchstrichterliche Entscheidung, ob ein solches Verbot wirksam oder ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit ist, gibt es noch nicht. "Ein Verbot kann ich daher nicht empfehlen", sagte Jurist Thomas Egger im Ausschuss. Ein möglicher Beschluss könne so lauten, dass die Stadt keine eigenen Flächen an Zirkusse mit Wildtieren vergebe und in der MVG eine erneute Vertragsverlängerung mit dem Weihnachtscircus über 2019/20 hinaus ablehne.

Veterinäramt: Ute Marx vom zuständigen Veterinäramt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg schilderte die üblichen Kontrollen über das Zirkuszentralregister und vor Ort im Messepark. "Die Zirkusse halten sich in der Regel an die Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren. Ob die Haltung als artgerecht zu bezeichnen ist, das ist eine andere Frage", fügte Marx hinzu. "Training und Vorführung können wir nur stichprobenartig prüfen."

Einnahmen: Zusätzlich zum Weihnachtscircus gastierten seit 2012 fünf Zirkusse im Messepark, davon drei mit Wildtieren.
Laut MVG-Geschäftsführer Ralf Bollig zahlen die Zirkusse pro Gastspiel durchschnittlich 7650 Euro Miete. Solche Einnahmen würden ohne Wildtier-Zirkusse entfallen beziehungsweise müssten anderweitig ersetzt werden.

Diskussion: Peter Hoffmann und Petra Kewes (beide Grüne) sprachen sich dafür aus, der "moralischen Verantwortung für den Tierschutz gerecht zu werden" und Zirkusse mit Wildtierdressuren abzulehnen.
Detlef Schieben (SPD) sagte: "Wildtiere gehören nicht in einen Käfig." Allerdings gelte der Tierschutz auch für Haustiere wie Pferde und Hunde, die ebenfalls in Zirkussen dressiert würden. Thomas Neises (SPD) gab zu bedenken, dass große Zirkusse ins Kreisgebiet ausweichen könnten.

So geht es weiter: Alle Ratsfraktionen wollen das Thema intern besprechen. In der Ausschusssitzung am 29. September kommt es voraussichtlich wieder auf die Tagesordnung, möglicherweise mit einer entsprechenden Beschlussvorlage der Stadtverwaltung. Eine Entscheidung könnte dann in der Stadtratssitzung am 6. Oktober fallen.

Meinung

Manege frei für Zirkus 2.0
Flic Flac zeigt aktuell in Trier, wie moderner Zirkus funktioniert: mit Artistik auf höchstem Niveau, origineller Comedy, ausgeklügelter Choreographie. Und ohne Tiere, die sogenannte Kunststücke wie Kopfstände, Balanceakte oder Sprünge durch brennende Reifen zeigen. Tierdressuren sind legal. Die Einhaltung der Vorschriften wird so weit wie möglich kontrolliert. Und Zirkusbetreiber haben per se ein Interesse daran, ihren Tieren das Leben im Zirkus zu erleichtern. Nur kann dieses Leben eben niemals artgerecht sein. Wildtiere gehören in die freie Wildbahn. Sich an Elefanten, Bären und Raubkatzen in der Manege zu ergötzen und ihr Schicksal mit dem Ende der Show auszublenden, mag vor Jahrzehnten als selbstverständlich gegolten haben. Heute kann sich normal niemand mehr darauf berufen, ihm seien die Hintergründe nicht bewusst gewesen.Vor einer klaren Regelung auf Bundesebene sind komplette Auftrittsverbote auf kommunaler Ebene rechtlich angreifbar. Doch die Stadt Trier braucht nur ihre eigenen öffentlichen Flächen Zirkussen ohne Wildtiere vorzubehalten. Das wäre ein klares Zeichen für den Tierschutz und die Botschaft: Die Zeit ist reif für Zirkus 2.0! m.hormes@volksfreund.deExtra

Tierschutzvereinsvorsitzende Sonja Müller: "Elefanten werden meist mit einem Elefantenhaken (Ankus) gefügig gemacht. Sie leiden unter stundenlangen Transporten in engen Waggons, haben am Standort praktisch keinen Auslauf. Laut Zirkusleitlinien müssten sie in Gruppen gehalten werden. Tiger legen normal bis zu 80 Kilometer am Tag zurück, leben im Busch und am Wasser als Einzelgänger. Die Folgen im Zirkus sind Verhaltensstörungen, Neurosen und Aggressionen." Oliver Häberle vom Weihnachtscircus: "Wir arbeiten nicht mit Tieren, die mit Drogen oder Schlägen gefügig gemacht werden. Dressur funktioniert über das Belohnungsprinzip. Zirkus ist eine der am strengsten kontrollierten Tierhaltungsformen. Bei uns sind keine Verstöße festgestellt worden." cus

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort