"Wir können das auch anders lösen"

KONZ. Ein Angestellter sitzt bei Routinearbeiten im Büro, freut sich auf den Feierabend, und plötzlich erscheint ein Mann mit Pistole im Türrahmen und verlangt Geld. Das klingt nach Wochenende-Krimi. Auf Spannung dieser Art hätte der Betroffene des Tankstellen-Überfalls in Konz-Karthaus allerdings sehr gerne verzichtet.

Das habe er noch nie erlebt. Das wolle er auch nie wieder erleben. Noch Stunden nach dem Überfall auf die Tankstelle Brunostraße in Konz-Karthaus ist der Betroffene starr vor Schreck. "Ich muss die Angelegenheit erst verarbeiten", sagt er und setzt noch eins drauf: "Ich frage mich, ob ich diesen Job überhaupt noch weiter machen soll." Am Montag kurz vor 13 Uhr erschien ein Mann im sonst kundenfreien Verkaufsraum. 40 bis 45 Jahre alt, seriös im Auftreten, gut gekleidet, überhaupt nicht nervös oder sonstwie auffällig. Die Tankrechnung steht an, außerdem eine Flasche Campari und sonstige Kleinigkeiten. Die Kollegin an der Kasse nennt den Rechnungsbetrag von gut 80 Euro. Ein Verbrecher, seriös gekleidet und ohne Maske

"Ich habe kein Geld, aber wir lösen das ganz anders", sagt der Biedermann, zieht eine Pistole und verlangt den Kasseninhalt. Weil die Kassiererin die Kasse nicht öffnet, läuft er durch zum Büro, findet den Mitarbeiter telefonierend, schwenkt drohend die Pistole, verlangt, den Hörer beiseite zu legen und die Kasse zu öffnen. Was unverzüglich geschieht. Dann packt er einige tausend Euro ein, setzt sich ins Auto und fährt ab. Der "dreiste Überfall" ist mittlerweile zum Klischee verkommen. Aber in diesem Fall passt die Formel. Dreister geht es es wirklich nicht mehr. Selbstverständlich besitzen Tankstellen Sicherheitsvorkehrungen. Kaum hatte der Täter den Rücken gekehrt, betätigte der Mitarbeiter den Notschalter. Selbstverständlich sind Video-Aufnahmen gespeichert. Und die Polizei war in wenigen Minuten da. Die nahm die Angelegenheit auf, befragte die beiden Betroffenen, schaute mit ihnen gemeinsam die Videoaufzeichnungen an. Selbstverständlich wurde sofort eine Fahndung eingeleitet. Das Kennzeichen des Autos ist bekannt: TR-H 7999. Wie der Täter aussieht, weiß jeder, der die Video-Aufzeichnungen gesehen hat. Vom Gesicht her ist er in der Tankstelle ohnehin kein Unbekannter. Er sei schon häufiger da gewesen und habe unter anderem Spirituosen gekauft, sagt der Mitarbeiter. Dadurch sei er ihnen überhaupt aufgefallen. Das sind scheinbar beste Voraussetzungen, um den Täter zu fassen. Der einzige Haken: Vom Verbrecher fehlt jede Spur. Bis Redaktionsschluss hat sich ein Fahndungserfolg nicht eingestellt. Jetzt ist die Polizei am Zug. Die Geschichte klingt nach Kriminalfilm. Aber es ist ein erheblicher Unterschied, ob sich die Tat auf der Mattscheibe abspielt oder unter Beteiligung der eigenen Person in der Wirklichkeit. Dann wird, was sich im Film unterhaltsam ausnimmt, zur existenziellen Bedrohung. Mit allen seelischen Folgen, die solche Attacken für den Betroffenen nach sich ziehen können. Glücklicherweise habe die Unternehmensleitung überlegt und feinfühlig reagiert und ihm erst einmal Ruhe gegönnt, sagt er. Sein Name? Der soll in der Zeitung nicht erscheinen. Auf keinen Fall! Für den flüchtigen Täter wäre es ein Leichtes, übers Telefonbuch die Anschrift zu finden. Dann könnte es zu einem höchst unangenehmen Besuch kommen. Und das ist wirklich das Letzte, was man einem Kriminalitätsopfer wünschen kann.

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