"Wir leben nicht auf Bäumen"

Sie wollen eine fremde Kultur, andere Menschen und die deutsche Sprache kennenlernen: Acht junge Freiwillige aus Rumänien, Bolivien, Syrien, Kolumbien und Chile leisten im Rahmen der "Sozialen Friedensdienste im Ausland" (Sofia) zurzeit ein Jahr in sozialen Einrichtungen im Bistum Trier.

 Erfahrungsaustausch: Die jungen Freiwilligen berichten im Gespräch mit Prälat Werner Rössel (rechts) von ihren gewonnenen Eindrücken. Foto: Bistum

Erfahrungsaustausch: Die jungen Freiwilligen berichten im Gespräch mit Prälat Werner Rössel (rechts) von ihren gewonnenen Eindrücken. Foto: Bistum

Trier. (red) In Trier trafen sich acht junge Freiwillige zum Erfahrungsaustausch mit Prälat Werner Rössel, dem Verantwortlichen für Weltkirche im Bistum Trier. "Der Charakter der Deutschen ist anders", sagte Francisco Vanegas Graf von Plettenberg aus Chile, der in der "Fachstelle Jugend" in Bad Kreuznach seinen Dienst leistet. Es sei ungewohnt für Südamerikaner, Leute mit "Sie" oder "Herr" anzusprechen. Auch an den großen Stellenwert von Pünktlichkeit und Ordnung habe er sich erst gewöhnen müssen. "Wir haben aber das Glück, dass die Leute sehr nett sind und viel Geduld haben", betonte er. Insgesamt könnten Freiwillige aus dem Ausland und Deutsche viel voneinander lernen.Weniger gute Erfahrungen machte der 23-jährige Fouad Garrooge aus Latakia in Syrien, der erst seit rund einem Monat seinen Dienst bei den Barmherzigen Brüdern in der Obdachlosen- und Armenküche in Trier leistet. "Auch in Deutschland gibt es Armut"

Als er mit dem Zug nach Trier unterwegs gewesen sei, habe ihn eine Mitreisende gefragt, wo er herkomme. "Als ich ihr erzählt habe, dass ich aus Syrien komme, hat sie sich gleich weggesetzt", schilderte er. Verwundert ist Garrooge auch darüber, das kaum jemand etwas über seine Heimat weiß und es insgesamt in Deutschland viel weniger junge Leute gibt, als in Syrien. Dies merke man auch in den Gottesdiensten. Begeistert ist der maronitische Christ aus dem Nahen Osten dagegen von der "Planungssicherheit", der Organisation und dem Arbeitseifer hierzulande.Altes Denken ist noch in den Köpfen

Das bestätigt auch Hurtado Mosquero aus Kolumbien, der sein SoFiA-Jahr in der Pfarrei Maria Hilf in Saarbücken ableistet. "Alles ist durchorganisiert", sagte Mosquero. Unverständlich ist dem Südamerikaner das deutsche Familienleben. "Kinder und Eltern leben eigentlich getrennt im Alltag", meinte Mosquero. Sie feierten viel lieber mit ihren Altersgenossen, statt mit Familienmitgliedern aus anderen Generationen - "undenkbar in Kolumbien". Auch das negative Südamerika-Bild vieler Deutscher ist ihm aufgefallen. Immer werde nur Armut und Unterentwicklung dargestellt. "Sie denken, wir leben auf den Bäumen", ärgerte sich auch Francisco Vanegas Graf von Plettenberg, der vor allem die Darstellung in den Medien kritisierte. Dabei gebe es auch in Deutschland nicht nur Reichtum - wie Fouad Garrooge jeden Tag in seiner Dienststelle erlebt, wo er Kontakt zu rund 100 Trierern hat, die in Armut leben.Werner Rössel bestätigte dieses Problem. "Früher war es eine Patenschaft, heute ist es eine Partnerschaft", sagte er mit Blick auf die Beziehungen zwischen dem Bistum Trier und Bolivien. Früher habe es bei manchen einen Blick von oben herab und ein eurozentrisches Denken gegeben. "Sofia" kann Abhilfe schaffen

"Das ändert sich, ist aber noch in vielen Köpfen", sagte Rössel. Es sei auch Aufgabe der Freiwilligen in Deutschland, dieses Denken zu korrigieren. "Da ist Sofia eine unersetzliche Einrichtung". Weitere Infos bei den Sozialen Lerndiensten im Bistum Trier, Dietrichstraße, Trier, Telefon: 0651/993796-306, oder auch per E-Mail: peter.nilles@soziale-lerndienste.de

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