"Wir wollen sehen, wo wir waren"

TRIER. (red) Das Maximilian-Kolbe-Werk hat 25 ehemalige KZ-Häftlinge von der Krim für zwei Wochen nach Deutschland eingeladen. Ein Besuch in Trier stand auch auf dem Programm.

"Ich konnte nicht glauben, dass ich lebe." Klavdiya Korniyenko (78) hat "die Hölle auf Erden" hinter sich, als sie am 5. Mai 1945 aus dem KZ Flossenburg befreit wird. Sie wiegt nur noch 33 Kilogramm.Hinter ihr liegt ein unbeschreiblicher Leidensweg durch vier KZ: Mauthausen, Auschwitz, Bergen-Belsen, Flossenburg. Wäre der Krieg nicht zu Ende gegangen, wäre ihr der Tod in der Gaskammer sicher gewesen. Von den 1800 Männern und 154 Frauen, die mit ihr in die Lager geschickt wurden, überlebten nur die wenigsten. Heute lebt Klavdiya Korniyenko in Jalta auf der Krim.Klavdiya Korniyenko ist Teilnehmerin einer 25-köpfigen Besuchsgruppe von der Krim, die auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werkes für 14 Tage nach Deutschland gekommen ist. Das Maximilian-Kolbe-Werk feiert im September 30-jähriges Bestehen. Es ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Zu ihrer Versöhnungsarbeit zählen auch Besuche in Deutschland.In Trier begleitet regelmäßig der ehemalige Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Trier, Domkapitular Prälat Roland Ries, die ehemaligen KZ-Häftlinge und führt sie durch den Dom."Am Schluss war ich nur noch Haut und Knochen"

Für die Frauen und Männer im Alter zwischen 59 und 82 Jahren - der jüngste von ihnen wurde 1944 im Lager Auschwitz geboren - ist es eine beschwerliche Reise, aber: "Wir wollen sehen, wo wir damals waren", sagt einer von ihnen.Das gleiche Interesse hat Mykola Krupa (78). Dreimal versuchte er aus dem Gefängnis in Deutschland zu fliehen - erfolglos. Er kam nach Bergen-Belsen. Dort musste er im Steinbruch arbeiten. "Am Schluss war ich nur noch Haut und Knochen", berichtet er.Auf der Krim leben heute noch 300 ehemalige KZ-Häftlinge und rund 13 000 Zwangsarbeiter, die im Krieg nach Deutschland verschleppt worden waren. Trotz der unmenschlichen Erfahrungen, die sie als Gefangene machen mussten, haben viele den sehnlichen Wunsch, noch einmal nach Deutschland zu kommen, um sich bewusst zu erinnern, mit Deutschen über die Vergangenheit zu sprechen und ihr Schicksal zu verstehen. Wie schmerzlich dies sein kann, zeigt der plötzliche Zusammenbruch eines Reiseteilnehmers, nachdem er in Metz den Ort seiner Lagerhaft noch einmal sah.Es ist erstaunlich, wie versöhnlich die ehemaligen KZ-Häftlinge über ihre Erfahrungen im Krieg sprechen. Da ist zum Beispiel Valentina Kymlik, eine lebenslustige, gesprächige Frau. Im Alter von 17 Jahren wurde sie in Dnepopetrovsk auf der Straße verhaftet, ins Gefängnis gebracht und von dort aus nach Deutschland geschickt.In Deutschland arbeitete sie in einer Bäckerei und einem Privathaushalt. "Ich fühlte mich nicht als Fremde, weil ich mit der Familie am Tisch saß." Später kam sie in ein "Erziehungslager". Trotz allem sagt sie heute: "Ich kann über die Deutschen nichts Schlechtes sagen."Viele zeigen sich zutiefst dankbar über den Besuch in Trier und die Besichtigung des Domes: "Wir haben im Krieg viel erlitten, aber wir danken sehr, dass Sie in Deutschland uns heute verstehen", schreibt eine Teilnehmerin in mühsamem Deutsch auf einen kleinen Zettel. Zur Versöhnung trägt sicherlich auch die Tatsache bei, dass die Gäste von der Krim für einen Tag lang in deutschen Familien untergebracht sind. Bei kleineren Gruppen sind auch längere Aufenthalte in Gastfamilien möglich.Das Maximilian-Kolbe-Werk besteht seit 30 Jahren. Nachdem zunächst vor allem ehemalige KZ-Häftlinge aus Polen zu Begegnungsfahrten eingeladen worden waren, konnte mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion dies auch für Menschen möglich werden, die zum Beispiel in der Ukraine oder Weißrussland leben.Das Maximilian-Kolbe-Werk unterstützt darüber hinaus ehemalige KZ-Opfer durch Transporte von Hilfsgütern, Medikamentenspenden und durch den Aufbau von Pflegestationen zum Beispiel in Krakau und Warschau.

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