Wo Welten aufeinander prallen

TRIER. Muss man Trier im Sommer den Rücken kehren, um Urlaubsflair zu genießen? Ganz und gar nicht. Viele Fleckchen in der Stadt bieten eine Atmosphäre, die mit jedem Ferienziel locker mithalten kann. Wir stellen stimmungsvolle Plätze in einer kleinen Serie vor.

So heiß ist das Pflaster, dass die Hitze durch die Schuhe in die Fußsohlen kriecht. Den ganzen Tag konnte die Sonne hier fast ungebremst den Boden erwärmen, kaum ein Windhauch findet den Weg durch die umliegenden engen Gässchen auf den Stockplatz. Und der mächtige Nussbaum spendet nur für eine kleine Ecke seinen freundlichen Schatten.Aber was sich bei Höchst-Temperaturen als schweißtreibender Nachteil zeigt, erweist sich zu später Stunde oder bei weniger tropischen Graden als Vorzug des kleinen Platzes im Stadtzentrum: Man kann es dort auch in nächtlichen Sphären pulloverfrei aushalten. Zumindest sofern zu solchen Zeiten noch etwas ausgeschenkt wird, denn um die Sperrstunde herrscht von Zeit zu Zeit ein kleiner Gastronomen-Krieg. Das ist schade, denn der Platz entfaltet als "Newcomer" im städtischen Angebot ein hübsches Flair.Nach jahrelangem Hin und Her hat die Stadt den Stockplatz endlich als Fußgängerzone ausgewiesen, was sich segensreich auf die "Platz-Kultur" ausgewirkt hat.Traditionen und Trends leben nebeneinander

Wo noch vor kurzem Dealer aus dem laufenden Auto heraus jugendliches Publikum mit allerlei Drogen versorgten, sitzen jetzt Touristen und Einheimische und genießen den Sommerabend. Auch wenn immer noch der eine oder andere Autofahrer meint, die Fläche vor einem anliegenden Bank-Institut als Parkplatz missbrauchen zu müssen.Anders als am Viehmarkt ist es aber bislang noch nicht gelungen, den einladenden Eindruck einer gemeinsamen Bewirtschaftung herzustellen. Jeder Gastronom hat seinen "Claim" mit kuriosen, jägerzaun-ähnlichen Gebilden abgetrennt. Der eine stellt weiße Plastikstühle auf, der andere gemütliche Bastsessel. Schirme in weiß, schwarz und rot, grün-weiß-gestreifte Bezüge überfallen das Auge, bunt gemischte Klänge von Folk über Hip-Hop bis Rock testen ab und zu die Belastbarkeit des Ohrs.Auf dem Stockplatz prallen eben Welten aufeinander. "Caipi 3,95 Euro", wirbt eine Kneipe ums jugendliche Trend-Publikum, am anderen Ende des Platzes wartet eine traditionelle Pizzeria auf Kundschaft. Hotel und Disco, Guiness und Pils, Bankangestellte und Langhaarige: Nirgendwo ist die Mischung so bunt. Das macht den Platz interessant, das birgt aber auch mancherlei Konfliktstoff.Faszinierenderweise spiegelt das bauliche Ambiente des Platzes diese Verhältnisse genau wider. Da steht das verschnörkelte ehemalige Edel-Kellereigebäude, das schon bessere Tage gesehen hat, samt seinen steinernen Wein-Grazien, erbaut 1905, gegenüber einem quadratisch-praktischen Geschäftshaus Marke Allianz-Versicherung. Kurios ist das schon, aber auch stimmungsvoll, denn der Platz ist rundum geschlossen und wirkt deshalb fast "heimelig", wie der Trierer zu sagen pflegt.Und kostenlose Nüsse frisch vom Baum gibt es hier demnächst auch. Man muss nur aufpassen, dass sie einem nicht auf den Kopf fallen.

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