Wütende Bürger gegen Pfalzeler Firma

Trier · In Pfalzel sind die Fronten im Streit darum, ob und wie stark der Industriebetrieb Eu-Rec stinken darf, verhärtet. Für den morgigen Dienstag hat Triers Umweltdezernent Andreas Ludwig zu einem Bürgergespräch eingeladen. Hunderte Anwohner werden erwartet.

Wütende Bürger gegen Pfalzeler Firma
Foto: friedemann vetter (ve.), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Trier. Wütende Bürger, die ihr "Recht auf gestanksfreie Luft" beschnitten sehen auf der einen Seite. Auf der anderen der Recyclingbetrieb Eu-Rec, von dem trotz immer neuer Investitionen in die Produktionsabläufe weiterhin regelmäßig stinkende Schwaden in den Ortskern wabern. Das sind die Gegenpole, zwischen denen sich in den vergangenen eineinhalb Jahren in Pfalzel die Stimmung immer mehr aufgeladen hat. Von einem "gravierenden, schlimmen Konflikt", gar von einer "drohenden Gewaltspirale" spricht mittlerweile Andreas Ludwig. Als Umweltdezernent der Stadt hat er sich vor einigen Wochen der Sache angenommen (der TV berichtete). "Wir müssen sehen, dass wir wieder in den Dialog kommen und die Situation entschärfen", sagt Ludwig. Für den morgigen Dienstag hat er daher zu einer Bürgerversammlung eingeladen (siehe Extra).
Andreas Ludwig wird dabei die Rolle des Moderators übernehmen. Im Vorfeld habe er dazu viele und stundenlange Gespräche geführt. Mit Bürgern, mit der Aufsichtsbehörde SGD Nord, mit Firmeninhaber Willi Streit. "Ich nehme die Nöte der Bürger sehr ernst, aber viele ihrer Beschwerden sind eher kleinlich und führen uns nicht weiter", sagt der Umweltdezernent. "Wir müssen uns stattdessen auf die Sachlage konzentrieren, um eine Lösung zu finden, die für die Bürger akzeptabel ist und die den Betrieb und die Arbeitsplätze nicht kaputtmacht." Daran müssten die Eu-Rec und die Struktur- und Genehmigungsdirektion gemeinsam konsequent arbeiten. "Wie ist die Qualität der zu verarbeitenden Folien? Wie muss mit dem stinkenden Waschwasser umgegangen werden, das bei der Produktion anfällt? Das sind die Kernfragen, die wir stellen und lösen müssen", erklärt Ludwig.

Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, soll bei der Diskussion die Sicht des Gewerbebetriebs vertreten. Denn würde die Eu-Rec in einem normalen Industriegebiet stehen, würde ihre Abluft wohl niemanden stören. Doch in Pfalzel liegen Industriegebiet und Wohnviertel dichter beieinander als heute erlaubt. Zurückzuführen ist das auf eine Fehlplanung in den 1960er Jahren: 1964 hatte der Zweckverband Wirtschaftsförderung im Trierer Tal einen Bebauungsplan für das Industriegebiet aufgestellt, der die Ansiedlung von emissionsstarken Firmen regeln sollte. Wegen eines formellen Fehlers trat der Bebauungsplan allerdings nicht in Kraft. Das Industriegebiet wurde nach niedrigschwelligeren Vorgaben besiedelt. Die damals noch von der Stadt unabhängige Ortsgemeinde Pfalzel wies 1968 ihrerseits ein Neubaugebiet südlich der Karolingerstraße aus. Heute wäre ein solches Beieinanderrücken von Wohnen und Industrie nach Paragraf 50 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, seit 1974 in Kraft, nicht mehr zulässig.

Eu-Rec-Geschäftsführer Willi Streit kommt mit seinem Anwalt Jochen Kerkmann. "Dass Herr Kerkmann für Herrn Streit spricht, wird dabei helfen, die Angelegenheit zu versachlichen", ist Moderator Ludwig überzeugt. Streit selbst hat sich keine Strategie zurechtgelegt: "Wir warten ab, was da auf uns zukommt", sagt er. Nachdem die Filteranlage im März ausgefallen war und es in Ruwer wieder heftig gestunken hat, sei die Anlage gewartet und gereinigt worden. "Seitdem sind zwei Messungen von einem von der SGD Nord ausgewählten Gutachterbüro durchgeführt worden - beide Male gab es keine Grenzwertüberschreitungen", sagt Streit. Am heutigen Montag findet die dritte Messung statt. Die SGD Nord wird als Aufsichtsbehörde ebenfalls auf dem Podium vertreten sein. Vorige Woche haben SGD-Nord-Mitarbeiter der Eu-Rec drei unangekündigte Kontrollbesuche abgestattet. Auch die Ergebnisse dieser Überprüfungen werden bei der Bürgerversammlung wohl Thema sein. Die SGD Nord will außerdem über Zahl und Umfang der Beschwerden in den vergangenen Wochen informieren.
Zur letzten Bürgerversammlung im November 2014 waren mehr als 400 Menschen gekommen. Vor der morgigen Versammlung hat die Pfalzeler Ortsvorsteherin Margret Pfeiffer-Erdel zur Demo aufgerufen. Los geht's eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn am Sportplatz. "Bitte geht mit und zeigt eure Stärke und Bereitschaft, endlich wieder ohne Gestank in Pfalzel und Umgebung zu leben. Wir zählen auf Euch!!!!!", wirbt Pfeiffer-Erdel auf Facebook.
Ein Video mit Stimmen aus Pfalzel sowie die Chronik der Ereignisse ab 16 Uhr online auf
volksfreund.deExtra

Wütende Bürger gegen Pfalzeler Firma
Foto: friedemann vetter (ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"
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Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
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Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"
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Foto: Friedemann Vetter
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Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Die Info-Veranstaltung zur Eu-Rec findet statt am Dienstag, 26. April, 18 Uhr, in der Betriebshalle des Dachdeckerbetriebes Stefan Feltes, Eltzstraße 41, Trier-Pfalzel. Moderator Andreas Ludwig hat zwei Stunden für die Diskussion angesetzt. Zunächst sollen die Bürger zu Wort kommen. Anschließend sind Eu-Rec-Geschäftsführer Streit und die SGD Nord an der Reihe, die Fragen zu beantworten. Dabei sollen beide auch explizit erläutern, welche Maßnahmen von beiden Seiten geplant sind, um die Situation zu verbessern. Zum Ende der Veranstaltung soll ein neuer Termin in etwa drei Monaten avisiert werden, um dann zu kontrollieren, wie sich die Sache weiterentwickelt hat. woc

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