"Zäsur im Straßenkarneval"

TRIER. Vielen Narren in der Region ist das Lachen vergangen. Verschimmelte und längst abgelaufene Süßigkeiten flogen bei Fastnachtsumzügen von den Wagen oder wurden von Fußgruppen verteilt. Immer wieder tauchten dabei "Jelly-Softdrinks" auf, deren Haltbarkeitsdatum zwischen Januar und Mai 2006 lag. Die Spur führt zu einer Firma in Tawern (VG Konz). Deren Chef weist jedoch jede Schuld von sich.

"Ich war mit meinen beiden Kindern beim Rosenmontagszug, die sich sehr gefreut haben, als eine der Gruppen die kleinen Fläschchen verteilte", meldet Nicole Huss. "Umso größer war der Ärger. Das Zeug war seit über einem Jahr abgelaufen. Es geht hier um unsere Gesundheit. Wenn man es sich nicht leisten kann, ordentliches Material zu kaufen, sollte man es gleich ganz lassen." Szenenwechsel von Trier nach Zewen. "Wir haben mit fünf Familien den Sonntagsumzug in Zewen besucht", sagt Sigurd Liebeskind. "Auch dort wurden abgelaufene Schokoriegel, Kaustreifen und diese Mini-Trinkflaschen mit dem Haltbarkeitsdatum Mai 2006 verteilt. Zu Hause mussten wir dann erst einmal alles sortieren." Flüssigkeit mit der Konsistenz von Gelee

Petra Heinen hat in Zewen eine der Flaschen geöffnet: "Die Flüssigkeit hatte die Konsistenz von Gelee. Ich dachte zuerst, man müsste sie mit Wasser verdünnen. Aber sie war wohl einfach nur zu alt." Werner Lentes aus Schweich ergänzt: "Auch bei uns sind diese Saftfläschchen verteilt worden." Die Jelly-Softdrinks tauchten auch in Oberemmel und Könen (Verbandsgemeinde Konz) auf. Die Spur dieser Flaschen führt nach Fellerich, einem Ortsteil von Tawern. Dort sitzt die "Rech Süßwaren GmbH", die Süßigkeiten von Produzenten aus Europa, den USA und Asien - dort insbesondere China - vertreibt. Ein Karnevalist, der behauptet, mit seiner Gruppe bei mehreren Umzügen in der Region dabei gewesen zu sein, meldet sich anonym beim TV: "Viele mir bekannte Gruppen und auch wir selbst erhielten diese Flaschen von der Firma Rech als kostenlose Zugabe zum Sortiment, und zwar ohne einen Hinweis auf das abgelaufene Haltbarkeitsdatum." Seine Gruppe bekam "sieben Kartons mit unzähligen dieser Fläschchen" und wurde "prompt beim Umzug von Zuschauern auf diesen Mist angesprochen". Die Frage, warum die Gruppe die geschenkte Ware nicht näher überprüft habe, bleibt jedoch offen. Firmen-Inhaber Karl Heinz Rech stellt sich auf TV-Anfrage den Vorwürfen. "Viele Gruppen wollten günstige Ware haben, am besten gleich ganz umsonst", sagt Rech. "Wir haben ihnen gesagt, die Paletten mit den Jelly-Softdrinks seien zwar abgelaufen, weshalb wir sie nicht mehr verkaufen können, aber sie könnten sie umsonst mitnehmen." Viele, so Rech, haben dieses Angebot angenommen. "Auch wenn das Haltbarkeitsdatum vorbei ist, kann man diesen Saft noch trinken. Der verdirbt doch nicht." Peter Pries, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval (ATK), ist erschüttert. "Ich habe einen solchen Fall noch nie erlebt. Ich bin sehr froh, dass niemand krank geworden ist." Die ATK als Organisator des Trierer Rosenmontagsumzugs werde reagieren. Pries: "In Zukunft werden wir die Zugteilnehmer auffordern, uns genau zu melden, welche Lebensmittel sie werfen oder verteilen wollen." Dabei müssen auch der Hersteller und das Verfallsdatum genannt werden. "Wir müssen daraus eine Bedingung machen. Denn wenn tatsächlich jemand durch verdorbene Kamellen krank wird, könnte das zu einem generellen Verbot führen, Lebensmittel bei Umzügen zu verschenken", sagt der ATK-Präsident. "Das wäre eine absolute Zäsur im Straßenkarneval."

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