Zeitreise in den Aufbruch

TRIER. Einen Filmabend, der bei alteingesessenen Trierern und Neubürgern gleichermaßen zu einer Bereicherung ihres Bildes der Stadt beitrug, veranstaltete die Volkshochschule Trier. Sie zeigte in Trier gedrehte Werbefilme aus den 50er-Jahren sowie zwei künstlerische Filme des Arztes Hanns-Dieter Wolf aus den Sechzigern.

 Bei einem Abend der Volkshochschulreihe Reihe "Trier in alten Filmen" beeindruckte das philosophische Werk "Glas und Blei" des heute 87-jährigen Trierer Arztes und Künstlers Hanns-Dieter Wolf (links). Seine Ehefrau Gunda Wolf (rechts) verteilt das Film-Skript von 1969 als Kopie an Interessierte (hier Martin Lepschy).TV-Foto: Anke Emmerling

Bei einem Abend der Volkshochschulreihe Reihe "Trier in alten Filmen" beeindruckte das philosophische Werk "Glas und Blei" des heute 87-jährigen Trierer Arztes und Künstlers Hanns-Dieter Wolf (links). Seine Ehefrau Gunda Wolf (rechts) verteilt das Film-Skript von 1969 als Kopie an Interessierte (hier Martin Lepschy).TV-Foto: Anke Emmerling

Eine schwarz-weiße Ansicht Triers - aufgenommen vom Weißhaus aus - erscheint, dazu jubiliert reichlich blechern, dafür um so inbrünstiger ein Orchester. Quer übers Bild entfaltet sich der Schriftzug "Trier, Stadt im Tal", und gleich darauf zeichnet die Stimme eines Moderators zu Klängen aus der Peer Gynt Suite von Edvard Grieg ein verklärt romantisches Bild der Moselmetropole. Obwohl aufgrund technischer Probleme leider nicht auf großer Projektionsfläche, sondern nur auf einem Fernsehmonitor zu sehen, zieht der Werbefilm von 1953 sofort in seinen Bann. Denn er zeigt Trier mit noch deutlichen Wunden des Krieges, erst wenig entwickelter Infrastruktur, dafür aber starkem Fortschrittsoptimismus. Alteingesessene Unternehmen, manchem aus dem Publikum noch bekannt, heute zum Teil vom Markt verschwunden, werden als Aushängeschilder der neuen Zeit beworben. Eisenwaren Peter Heil, Modehaus Geschwister Kanz, Landewyck-Tabak ("Wer Africaine-Zigaretten raucht, kennt keine Kopfschmerzen"), das Kaufhaus Insel ("Unsere Ateliers nehmen jeden Auftrag mit Liebe und Sorgfalt an") oder die Löwenbrauerei bieten alles für den aufkeimenden Wohlstand an. Zum Amüsement der etwa 40 Zuschauer geschieht das oft in Reimform: "Was der Kurfürst war für Trier, ist heute noch das Löwenbier". Fast ein bisschen wehmütig stimmt die Reise in eine Zeit, in der Uhren langsamer gingen, vieles handgemacht war und jede Menge Entwicklungspotenzial auf kreative Geister wartete. Und doch, so zeigt der nächste Film "Deine Stadt, Aufgabe und Verpflichtung", 1957 im Auftrag der Stadt gedreht, lag hier der Grundstein für das, was heute Realität ist. Denn ein gewaltiger Entwicklungsschub bestimmte die 50er-Jahre in Trier. Das berauschend optimistische Filmdokument zeigt die Entstehung der Infrastruktur aus Verkehrsadern, Schulen, Krankenhäusern, Sportanlagen, Schwimmbädern, Wohn- und Industriegebieten sowie der Riveristalsperre. Das Jugendzentrum Exzellenz-Haus wird eröffnet, und der Neubau des in einer Notunterkunft residierenden Theaters steht bevor. Von dieser Euphorie ist im rund zehn Jahre später (1969) entstandenen Film "Glas und Blei" des heute 87-jährigen Trierer Arztes, Malers, Fotografen und Filmers Hanns-Dieter Wolf nichts zu spüren. Das 1975 mit dem ersten Preis beim Deutschen Amateurfilmfestival ausgezeichnete Werk zeigt vielmehr die vielleicht vom damaligen Existenzialismus inspirierte kritisch sensible Auseinandersetzung mit tiefgründigen philosophischen Fragen."An den Mauern haftende Probleme"

Es beleuchtet das Spannungsfeld zwischen Kunst, Glaube und Intellekt, eingebunden in eine unglückliche Liebesgeschichte, an deren Ende steht: "Was bleibt in mir von dieser Zeit? Ein wenig neue Farbe - geronnen aus Glück und Schmerz - eingefasst in das Blei von Wissen und Gedanken." Trier erscheint als "abseitige, alte, vielleicht zu alte Stadt", mit Kirchen als Gefäßen der Indoktrination und an den Mauern haftenden Problemen. "Eine Stadt, für die ich so gar nicht gebaut bin." Ein eindrucksvolles Dokument, das wie auch der andere Film von Wolf "Barock und heiter" (eine Fastnachts-Eifersuchtsgeschichte mit Schauplatz Palastgarten) mit visueller Symbolik, Blick für Details und sensiblem Einsatz von Musik als Transportmittel für Stimmung besticht. Dieser Filmabend hallt nach, denn Ideengeber und Moderator Professor Ralph Jätzold hat mit seiner Auswahl das Bewusstsein für sehr unterschiedliche Facetten von Vitalität und Kreativität einer traditionsreichen Stadt geschärft.

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