Zicken, Zeugen und Zufälle

HEILIGKREUZ. In Köln stand sie schon zweimal vor Gericht: Die Heiligkreuzerin Heidi Kast ist seit einem Casting, in das sie zufällig hinein geriet, bereits drei Mal in Fernsehshows aufgetreten. Bei der Kölner Produktionsfirma steht sie mittlerweile in der Komparsen-Kartei.

Heidi Kast war schon mehrfach verheiratet, unter anderem mit einem zehn Jahre jüngeren Mann und mit einem Mann, der wegen versuchten Mordes und wegen Doppelehe zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Ihr Sohn Max lag in einem Wachkoma, ihr Sohn Carsten verlor durch Totschlag seine Freundin sowie sein ungeborenes Kind, und ihre bockige 17-jährige Tochter beschimpft ihren Stiefvater als "lächerlichen Hampelmann". Zerrüttete Familienverhältnisse, die es allerdings nur in einer Scheinwelt gibt, genauer: in den Studios der Kölner Produktionsfirma Filmpool, die unterschiedliche Unterhaltungs-Fernsehformate an Privatsender verkauft. Heidi Kast ist Amateur-Schauspielerin und tritt in Nachmittags-Shows auf. Ihren ersten Auftritt hatte sie in "Zwei bei Kallwass" im Januar 2002. In der Sat1-Sendung mimte sie eine Mutter, die wegen ihres neuen Lebenspartners Streit mit ihrer minderjährigen Tochter bekommt. Auf das zickige Geschrei ihrer Fernsehtochter Michaela - "Ich hasse diesen Typen, er soll verschwinden" - reagiert Heidi Kast alias Viktoria mit schlagkräftigen Argumenten und reichlich Emotionen. Als stünde tatsächlich ihre Tochter vor ihr, als durchlebe sie wirklich diesen Konflikt. "Ich schlüpfe einfach komplett in die Rolle, die Kameras nehme ich dann nicht mehr wahr", erzählt Heidi Kast, die im wahren Leben gelernte technische Zeichnerin, allein erziehende Mutter und Mitarbeiterin eines Wein- und Spezialitätengeschäfts am Trierer Kornmarkt ist. Seit ihrem Auftritt in der Psychologie-Show spielte sie bei "Richterin Barbara Salesch" (Sat1) die Mutter eines Komapatienten und bei "Das Jugendgericht" (RTL) eine Steuerberaterin und Mutter eines jungen Mannes, der seine aus dem Jemen stammende schwangere Freundin durch eine dramatische Entführung verliert. "In ‚Zwei bei Kallwass' musste ich komplett improvisieren, bei den Gerichtsshows bekommt man etwas genauere Anweisungen, was man zu sagen hat", sagt Kast, die "nur vor der ersten Show ein bisschen aufgeregt" war. Ihre Rollen hat sie offenbar so authentisch gespielt, dass es in Heiligkreuz sogar schon Verwirrung gab. Ein Bekannter wunderte sich: Sie hieße doch gar nicht Kast und neben ihrem Sohn Tim habe sie doch auch eine Tochter. Angefangen hat Heidi Kasts "Fernsehkarriere" vor etwa zweieinhalb Jahren. Ihr damals achtjähriger Sohn Tim wollte unbedingt einmal im Fernsehen auftreten. Heidi Kast fuhr mit ihm zu einem Casting in Saarbrücken. Während ihr Sohn vorsprach, wurde sie selbst zu einem Casting für "Richterin Barbara Salesch" überredet. "Ich dachte mir: Was soll's und habe einfach mitgemacht", erzählt die resolute Heiligkreuzerin. Ihr Sohn wurde nicht ausgewählt, doch für sie klingelte drei Monate später das Telefon. "Ich war ein bisschen überrascht, aber für mich war es einfach die Gelegenheit, mal raus aus dem Alltag zu kommen." Vom Fernsehgeschäft ist die 42-Jährige begeistert: "Die Filmcrew und die Serienstars, die man dort trifft, sind alle sehr nett. Alle duzen sich, man wird super versorgt und zurecht gemacht." Eine Begeisterung, die scheinbar erwidert wird. Bei Filmpool ist Kast mittlerweile fest in der Laienschauspieler-Kartei, sie rechnet mit weiteren Auftritten. "Ich habe aber keine große Erwartungshaltung und keinen gesteigerten Ehrgeiz", sagt Kast. Es mache ihr einfach nur Spaß, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Träume hat sie trotzdem: In einer Krimiserie würde sie gerne einmal Komparsin sein oder regelmäßig Waschmittelwerbung machen - "so wie Klementine".

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