Ziel ist Integration in den Alltag

TRIER. Im Anna-LimbourgHaus, einem gründerzeitlichen, in der Olk gelegenen Gebäude, dreht sich alles um hörbehinderte Menschen. Hier wurde im April 2003 die Beratungsstelle Hör-Biz eröffnet. Dies ist die einzige Anlaufstelle dieser Art für Hörgeschädigte in Rheinland-Pfalz.

"Klar gibt es berufliche Integration von Hörgeschädigten und Gehörlosen", meint Vanessa Agné, Leiterin des Hörbehinderten-Informations-Zentrums (Hör-Biz). "Wir sind hingegen Ansprechpartner bei Problemen des alltäglichen Lebens. Wir machen Seminare, Beratungen, kurz, wir versuchen, die Sozialkompetenz unserer Klienten zu steigern." Dabei bedienen Vanessa Agné und ihre Mitarbeiterin Birgit Hill eine Personengruppe, die unterschiedlicher nicht sein könnte. So haben Tinnituspatienten beispielsweise ganz andere Schwierigkeiten als völlig gehörlose Menschen. Während bei Ersteren zum Beispiel mit gezielter Anwendung von Entspannungsübungen der Leidensdruck durch Ohrgeräusche verringert werden kann, so ist für viele Gehörlose oftmals Hilfe im Alltag sehr willkommen. Dies erstreckt sich auf Vorbereitung von Behördengängen, "übersetzen" von Verträgen oder anderen Dingen des öffentlichen Lebens. "Durch Gehörlosigkeit", erklärt Vanessa Agné, "ist auch die Erfassung der Schriftsprache schwieriger, und viele Ausdrücke aus der Behördensprache werden - zumindest in der Gebärdensprache - umschrieben." Auch in Familien, in denen beide Elternteile eines hörenden Kindes gehörlos sind, kann es zu großen Problemen kommen. Gerade in diesem Bereich engagiert sich die Hör-Biz-Leiterin sehr stark. "Vor zwei Jahren war dieses Zentrum aus dem Verein zur Förderung Hörgeschädigter entstanden. Damals standen Vereinskoordination und Seminare im Vordergrund", erläutert Vanessa Agné. Jetzt habe sich durch Konflikt- und Lebensberatung ein weiteres großes Beratungsfeld aufgetan. Hier werden derzeit zusammen mit sechs Familien Probleme besprochen, Konflikte erfasst und gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen gesucht. All diese Maßnahmen sind längerfristig über mehrere Monate angelegt. Auch Hausbesuche gehören zum Programm. "Viele Konflikte entstehen gerade zu Hause in der Kommunikation mit anderen", weiß Vanessa Agné. Deswegen sind auch Trainingsmaßnahmen wie Absehtraining, eine Art "Lippen lesen", Verbesserung der Beleuchtung oder der Raumakustik sehr wichtig. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche technische Geräte wie Implantate, Hörgeräte, optische Klingeln oder Telefone. Aber gerade bei Hörhilfen muss oft das Hören selbst gelernt werden. Für einen Gehörlosen kann Vogelgezwitscher schon eine erschreckende Lautstärke entwickeln und ein Gespräch unmöglich erscheinen lassen. Aber auch bei ganz alltäglichen einfachen Dingen haben Hörgeschädigte ihre Probleme. So ist gerade für ältere Hörgeschädigte die telefonische Notdienst-Ansage der Apotheken völlig unbrauchbar, Ähnliches gilt für die Fahrplanansage der Bahn. "In der Öffentlichkeit ist Hörbehinderung leider noch kein Thema", so Mitarbeiterin Birgit Hill, "wir wollen auch dafür Bewusstsein schaffen."

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