Zschäpe-Anwalt hält Trierer Gericht für befangen

Trier · Der Prozess um einen Trierer Rauschgiftdealerring verzögert sich: Wegen etlicher Anträge von Rechtsanwalt Wolfgang Stahl musste die Verhandlung am Donnerstag mehrfach unterbrochen werden. Stahl ist der Verteidiger von Beate Zschäpe im NSU-Staatsschutzprozess vor dem Münchener Oberlandesgericht.

Als Muhammed M. vor drei Jahren nach Trier zog, änderte sich sein Leben: Drinks gab's fortan in der Disco nicht mehr glasweise, "sondern mein Cousin bestellte immer gleich zwei ganze Wodkaflaschen", erzählt M. vor Gericht. Ständig habe G. für ihn bezahlt, "er war wie ein Bruder für mich und hatte immer viel Geld in der Tasche."
Es dauert nicht lange, da verlangt der Cousin Gegenleistungen für seine vermeintliche Großzügigkeit: M. soll mit nach Frankreich fahren, um die Qualität des Marihuanas zu beurteilen, das G. dort kaufen will. "Er sagte mir, es ginge um 200 Gramm - und ich tat ihm den Gefallen." Tatsächlich besorgte G. bei seinem französischen Dealer kiloweise Rauschgift. Nach und nach stieg M. mit in den Handel ein: Der Student vertickte das Gras in Trier an kleinere Dealer und Konsumenten. Insgesamt 12 mal soll er mit illegalen Drogen gehandelt haben, wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor. M. räumte die Taten am Donnerstag vor Gericht ein.

Eigentlich hätte das den Prozess gegen einen der größten Trierer Drogenringe der vergangenen Jahre (siehe Extra) beschleunigen können. Doch mit mehreren Anträgen sorgte Ms Verteidiger Wolfgang Stahl immer wieder für Verhandlungsunterbrechungen. Unter anderem erklärte Stahl, sein Mandant habe Grund, das Gericht für befangen halten zu können. Die erste Große Jugendkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Günther Köhler hatte zuvor drei Anträge Stahls abgelehnt: Der Rechtsanwalt, der auch Beate Zschäpe im Münchener NSU-Prozess vertritt, hatte unter anderem verlangt, dass die Hauptverhandlung längerfristig ausgesetzt werden müsse. Das Gericht hatte im Vorfeld der Verhandlung nur drei Prozesstage angesetzt. An den kurzfristig angekündigten weiteren Terminen sei er allerdings verhindert, erklärte Stahl. Unter anderem würden sich die Trierer Termine mit seinen Verhandlungstagen im Münchener NSU-Prozess überschneiden. Weil ihm in den nächsten drei Wochen kein Termin in Trier möglich sei, müsste der hiesige Prozess ausgesetzt - und sein Mandant aus der Untersuchungshaft entlassen werden. "Eine Verlängerung der U-Haft durch die Aussetzung des Prozesses ist meinem Mandanten nicht zumutbar", sagte Stahl. Die Jugendstrafkammer lehnte sämtliche Anträge ab: Dass Stahl an einigen Terminen verhindert sei, sei unerheblich - zumal an diesen Ms. Pflichtverteidigerin einspringen könne. Stahl hielt dagegen, dass es der ausdrückliche Wunsch seines Mandanten sei, von ihm persönlich verteidigt zu werden.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Studenten Muhammed M., der sich den erfahrenen - und durch den Münchener NSU-Prozess prominenten - Strafverteidiger Stahl zusätzlich zu der vom Gericht bestellten Pflichtverteidigerin Olga Sommer leistet, wurden vor Gericht nicht offen gelegt.

Cousin G. ist derweil auf der Flucht. Während der U-Haft hatte er ein umfangreiches Geständnis abgelegt und seine Mitangeklagten belastet. Im Rahmen einer Kronzeugenregelung - und im Gegenzug für das Geständnis - wurde G aus der U-Haft entlassen. Er nutzte die Gelegenheit und setzte sich ins Ausland ab.
Extra

Mit knapp 40 Kilo Marihuana und acht Kilo Amphetaminen soll der Drogenring zwischen 2012 und 2015 Handel getrieben haben (der TV berichtete). Die 21-jährige Angeklagte A. hat das Gericht am Donnerstag wegen "psychischer Beihilfe" zum Drogenhandel zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Für A. ist der Prozess damit beendet. Auch gegen die geständigen Angeklagten C. und O. sollte gestern ein Urteil fallen. Bevor der Prozess weitergehen kann, muss in der nächsten Sitzung allerdings zunächst der Befangenheitsantrag von Anwalt Stahl abgehandelt werden.

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