Zufall oder Schlamperei?

EUREN. Aufregung um Knochenfunde auf dem städtischen Friedhof in Euren. Friedhofsbesucher zeigten sich entsetzt. Grünflächenamts-Chef Franz Kalck bedauert den Vorfall, kann sich aber nicht erklären, wie die sterblichen Überreste an die Oberfläche gekommen sind.

An Zufälle mag Anke Hanakam nicht mehr glauben. Als sie vor zwei Jahren auf einem Aushub-Haufen auf dem Eurener Friedhof einen Unterkiefer erspähte, dachte sie noch, so was könne ja mal passieren. Nach einer Beerdigung am 20. April dieses Jahres passierte es erneut: Die 61-jährige Eurenerin unterhielt sich mit einer Bekannten, und plötzlich fiel ihr Blick auf eine Schädelhälfte, die ebenfalls aus frischem Erdaushub herausschaute. Zu Beginn dieser Woche war für sie das Maß endgültig voll: "Da hab ich gezielt geschaut - und tatsächlich noch einmal ein Stück Schädel gefunden, diesmal von einer Stirn." Verwechslung mit nichtmenschlichen Überresten ausgeschlossen? "Das erkennt man an der Maserung. Ich weiß; wovon ich rede", sagt Anke Hanakam, die sich als Sport-Übungsleiterin "intensiv mit menschlicher Anatomie beschäftigt" hat. Schlamperei auf dem Eurener Friedhof? "Das kann ich mir nicht vorstellen. Unsere Mitarbeiter gehen sehr gewissenhaft vor", sagt Franz Kalck, Leiter des städtischen Grünflächenamtes. Dass sterbliche Überreste bei Aushubarbeiten auf Friedhöfen an die Oberfläche kommen, sei aber nie auszuschließen. "Die Mitarbeiter decken diese Funde dann zu oder sichern sie, damit Beerdigungsteilnehmer und andere Friedhofsbesucher sie nicht zu Gesicht bekommen." Die aktuellen Vorkommnisse bedaure er "außerordentlich, das ist keine Frage". Keine Antwort kann Kalck auf die Frage geben, wo denn die Funde herkommen. Die derzeit in Euren laufenden Baggerarbeiten dienten der Neuanlage einer Böschung und der Abräumung von Grab-Fundamenten und gingen maximal 60 Zentimeter in die Tiefe. Aber Sarg-Oberkanten lägen etwa 1,20 Meter unterhalb der Erdoberfläche. An einer anderen Stelle des Friedhofs habe es eine Probebohrung gegeben, um herauszufinden, wie weit der Verwesungsprozess nach Ablauf der Ruhezeit (Reihengrab 20, Wahlgrab 25 Jahre) fortgeschritten ist, weil solche Flächen wieder belegt werden. Kalck: "Aber diese Bohrung war rund 25 Meter von der Stelle entfernt, an der die Knochen gefunden wurden. Ich kann mir deren Herkunft nicht erklären." Auf Entdeckungen ("Anruf genügt!") reagiere sein Amt sensibel und prompt: "Wenn wir davon erfahren, dann schicken wir sofort jemanden raus." So geschehen am 22. April, als außer Anke Hanakam auch Eurens Ortsvorsteher Hans Schmitz beim Grünflächenamt in der Gärtnerstraße anrief und auf den grausigen Fund aufmerksam machte.Gestern gesucht und nichts mehr gefunden

Die Schädelhälfte sei mit einer Baggerschaufel in Berührung gekommen, mutmaßt Anke Hanakam, "Man konnte ganz deutlich die Kratzspuren erkennen." Ob die zu Wochenbeginn aufgetauchte Stirnpartie vom selben Toten stammt, weiß sie nicht. Von diesem Fundstück, das Anke Hanakam an Ort und Stelle mit einem Stein zugedeckt hatte, erfuhr Kalck erst am gestrigen Freitag durch die Anfrage des Trierischen Volksfreunds . Daraufhin fuhr er sofort nach Euren und bestätigte anschließend die Vermutung der Finderin: "Ein Stück Schädel von rund zehn Zentimetern Durchmesser." Mit drei Kollegen habe er schließlich den Friedhof intensiv abgesucht und "nichts entdeckt, was dem Auge des Betrachters erspart bleiben soll". Nicht verweste sterbliche Überreste wie die von Euren kommen nach Kalcks Worten erneut unter den Boden, meist als stille Beigabe einer neuen Beisetzung: "In solchen Fällen wird ein Grab tiefer ausgehoben. Die alten Knochen werden mit Erde bedeckt, und erst dann kommt der Sarg oder die Urne drauf." Anke Hanakam ist "vorerst bedient. Einige meiner verstorbenen Angehörigen sind hier beigesetzt. Ich empfinde es nicht nur für mich als sehr deprimierend, auf Knochen zu stoßen, die möglicherweise von einem Verwandten stammen."

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