Zur Belohnung tönt der Gong

TRIER. Die leisen Töne finden bekanntlich den geringsten Widerhall. So gesehen ist es bemerkenswert, dass nicht nur die berühmte d-Moll-Toccata von Bach-Stokowski im Schulkonzert des Philharmonischen Orchesters Trier gut ankam, sondern auch die subtilen Klänge von Maurice Ravels musikalischem Erzählzyklus "Ma mère l’oye".

Mit der Musik steht es ungefähr wie mit der Chemie. Sie wird für Schüler am interessantesten, wenn es knallt und rauscht. Dass Johann Sebastian Bachs berühmte d-Moll-Toccata in der Orchesterfassung von Leopold Stokowski im Trierer Theater die Wünsche nach deutlichen Strukturen und orchestralem Pomp befriedigen würde, war vorhersehbar. Aber wie stand es beim Schulkonzert des Philharmonischen Orchesters mit Maurice Ravel? Wie mit dessen subtilem Zyklus "Ma mère l'oye"? Der erzählt zwar scheinbar kindgerechte Geschichten, entwickelt aber ein Raffinement und eine Feinheit im Klang, die auch erwachsenere Ohren rasch überfordern.Dénes springt über die Brüstung und erzählt

Aber vor der Überforderung steht István Dénes. Der springt jugendlich-dynamisch über die Brüstung zum Dirigierpult, schaut kurz auf den Ablaufplan und erzählt. Vom Advent, von Ravel, vom Dornröschenschlaf, von der Schönen und dem Biest. Und lässt die Instrumente klingen. Ein feine, helle Streicher-Bläsermischung - der Zauberspiegel. Eine Klarinette - die Schöne. Das urige Kontrafagott mit seinem sperrig brummenden Ton - das Biest. Und eine leise atmende Klangmischung - das schlafende Dornröschen. Wie eindringlich, wie sinnfällig! Peter Larsen liest die Märchen von der Schönen und dem Biest und vom kleinen Däumling vor. Und Dénes doziert nicht, sondern bleibt anschaulich und liebevoll - sogar bei kleinen Ermahnungen. "Musik ist zum Hören da", sagt er. "Wenn du nicht leise bleibst, dann hörst du nichts." Da sind die 300 kleinen und größeren Kinder im großen Theatersaal mucksmäuschenstill.

Schulkonzert ausgerechnet mit Ravel ist ein Balanceakt. An den ganz Kleinen vom Kindergarten rauschten Musik und Erzählungen vorbei und an den wenigen Größeren wohl auch. Aber auf Schüler der Stufen fünf und sechs übt diese filigrane Musik eine erstaunliche Anziehungskraft aus. Klingende Traumwelten voller Duft und Eleganz. Sanfte Überredungen. Und unklischierte Weihnachtsklänge. Wenn dann vorne jemand wie István Dénes dirigiert, erzählt, erklärt, hin und wieder ermahnt und immer wieder den Kontakt zum jugendlichen Publikum sucht, dann kommt auch das Subtile dieser Musik an, und die Unruhe, die sich auf Dauer wohl nicht vermeiden lässt, hielt sich überraschend eindeutig in Grenzen. Wenn Privatgespräche geführt wurden, dann fanden die so leise statt, dass alle übrigen der Musik von Ravel und Bach-Stokowski lauschen konnten. Und zur Belohnung konnten Freiwillige mal kräftig auf den großen Gong schlagen, das "Tamtam".

Keine Frage: Das Schulkonzert des Philharmonischen Orchesters war rundum erfolgreich. "Wir stehen hinter solchen Veranstaltungen", hieß es aus dem Orchester. "Eigentlich ganz gut", sagten die Schülerinnen und Schüler. Der Besuch habe sich gelohnt. Auch die Lehrer gingen mit positivem Resümee zurück zum Schulgebäude. "Das war grundsätzlich ganz prima", freute sich Maria Grohé vom Trierer Hindenburg-Gymnasium. Vielleicht hätte man etwas weniger erzählen und etwas mehr musizieren sollen, schränkte sie ein. Aber das letzte Stück sei doch beeindruckend gewesen. Und die Kinder? "Doch, recht diszipliniert." Für viele war das immerhin die erste Begegnung mit dem offiziellen Musikleben.

So senkte sich eine Stimmung allgemeiner Befriedigung über den Großen Saal im Trierer Theater. Und wer wollte, durfte am Ende noch einmal kräftig aufs Tamtam schlagen.

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