Zusehen beim Scheitern

Seinen ersten Spielfilm "Gegenüber" um das Thema häusliche Gewalt stellte der junge Regisseur Jan Bonny im Trierer Broadway Kino vor. Die Geschichte um eine Beziehung, in der die Frau ihren Mann verprügelt, imponierte den Zuschauern, weil sie auf moralische Anklage, Täter- und Opferfestlegung sowie Geschlechterklischees verzichtet.

Trier. Anne (gespielt von Victoria Trautmannsdorff) ist Grundschullehrerin und verheiratet mit dem Polizisten Georg (Matthias Brandt). Der macht weder Karriere, noch Aufhebens von seiner Existenz, entschuldigt sich vielmehr für jede seiner (Lebens)Äußerungen. Anne, die unter psychischem Druck durch eine gespannte Vaterbeziehung steht, reizt seine Passivität so, dass sie ihren Aggressionen in wahren Prügelorgien Luft macht. Hinterher errichten beide jedoch immer wieder die Fassade der harmonischen Ehe. Die Idee zum Film "Gegenüber", der mit dem Drehbuchpreis des Filmfests München ausgezeichnet wurde, stammt von einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem es hieß, Gewalt in Beziehungen gehe häufiger von Frauen als von Männern aus, sagte Regisseur Jan Bonny. Nach Internet-Recherchen, die in Foren und zu unzähligen Einzelgeschichten führten, sei eine allgemeinere Fragestellung als die nach der eigentlichen Gewalt oder Geschlechter-Ungerechtigkeit geblieben: "Was kann aus Liebe, Lebenslügen, Druck und Isolation alles werden?" Herausgekommen sei ein Film, der das an einer sehr privaten Situation, konsequent aus der Paarperspektive zeige. "Die beiden sind eine symbiotische Einheit, sie sind zusammen isoliert. Wer Täter und Opfer ist, ist nicht festgelegt." Auch gebe es bewusst keine Wertung im Hinblick auf falsches oder richtiges Verhalten und daher keine Wunschlösung. Tatsächlich geben die Kinozuschauer dem Regisseur die Rückmeldung, sich mit beiden Figuren identifizieren zu können. Das hat Bonny gezielt angestrebt: "Die Berufe Lehrerin und Polizist sind gewählt worden, weil beide konfliktgeschult sein müssten, aber auch, weil sie so schön mittelständisch sind. Wir wollten nicht, dass man das Thema auf Randgruppen abschieben kann", sagte Bonny. Identifikation und das ebenfalls angestrebte Ziel, emotional-körperliche Betroffenheit vor der intellektuellen zu wecken, hat Bonny noch durch einen anderen Kniff erreicht: "Wir haben mit wenig Licht gedreht, um die Assoziation an alte Weihnachtsfamilienfotos zu wecken und damit dem Film etwas Privates, Vertrauliches zu geben." Dazu trage auch die oft unruhige Kameraführung bei, die nicht kühl und distanziert alles abbilde, sondern vieles unterschlage. "Gegenüber" läuft offiziell am 11. Oktober an: Am 19. Oktober gibt es im Broadway nach der Vorführung um 19.30 Uhr Gelegenheit zur Diskussion mit dem Vorsitzenden des Männerbüros Talisman, Helmut Wilde.

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