Zwanzig Minuten blind sein

TRIER. (red) Das "Café Dunkel" bietet bereits zum zweiten Mal bei den Heilig-Rock-Tagen auf dem Domfreihof seinen Gästen ein ungewöhnliches Erlebnis.

Ein mulmiges Gefühl hat David Bruggeman aus Mayen, als er vorerst zum letzten Mal das Tageslicht sieht. Dann dreht er sich um und vertraut sich Martin Ludwig vom Referat "Sehbehinderte und blinde Menschen" des Bischöflichen Generalvikariats Trier an. Durch eine Eingangsschleuse betreten die beiden das "Café Dunkel". "Hier sieht man ja gar nichts." David stellt fest, dass das Café seinem Namen alle Ehre macht und beginnt, sich langsam in Richtung der Theke mit den acht Sitzplätzen vorzutasten. Einfach ist das nicht. "Gar nichts zu sehen, ist ganz schön befremdlich", sagt David mit unsicherer Stimme, als er die Theke endlich erreicht hat. "In diesem Café sollen Sehende in die Welt der Blinden eintauchen und Erfahrungen sammeln", erklärt Martin Ludwig, der selbst blind ist. So wie David Bruggeman gehe es vielen im "Café Dunkel", weiß er. Das Café ist zum zweiten Mal bei den Heilig-Rock-Tagen auf dem Trierer Domfreihof aufgebaut. Über 500 Gäste an den ersten drei Tagen

Nachdem David seinen Sitzplatz an der Theke gefunden hat, bestellt er sich Cola und Kuchen. Ein wenig unsicher wartet er, bis Marion Remmy freundlich sagt: "Bitte schön, hier ist deine Bestellung." Nachdem diese vor ihm abgestellt ist, beginnt David, sich langsam heranzutasten. Ruhig bewegt er seine Hand in der Luft, um auch ja nichts umzuwerfen. "Ich glaube, ich trinke die Cola aus der Flasche, denn ich habe Angst, das Glas beim Einschenken nicht zu treffen", sagt er und beginnt, den Kuchen zu essen. "Das ist gar nicht so einfach, entweder suche ich die Cola oder den Kuchen." Viel Zeit hat David nicht mitgebracht, er hat noch einen Termin. Doch wie spät ist es? Mit einem Blick auf die Uhr kommt er nicht weiter - es ist ja dunkel. "Wie spät ist es?", fragt er. Und gerne nennt Martin Ludwig ihm die Zeit. "Für viele ist es fremd, nichts mehr zu sehen und sich anderen anzuvertrauen", sagt er. Manchmal sei es sogar so ungewohnt, "dass viele nach nur wenigen Minuten den Raum wieder verlassen". Kinder, so sein Eindruck, gingen unbeschwerter und lockerer mit der Dunkelheit um als Erwachsene. Und doch: Der Besucherstrom nimmt kein Ende. "Von morgens bis abends sind unsere Sitzplätze fast ununterbrochen belegt", erläutert Ludwig und ist mit dem Zuspruch "sehr zufrieden". Über 500 Gäste besuchten allein in den ersten drei Tagen des Trierer Bistumsfestes das "Café Dunkel". Durchschnittlich 15 bis 20 Minuten verweilte jeder Gast im "Café Dunkel". Und auch David möchte nach dieser Zeit gerne bezahlen. Seinen Geldbeutel hat er zwar schnell gefunden, doch dann geht's ans Kleingeld. "Ist das eine Ein- oder Zwei-Euro-Münze?", fragt er unsicher und tastet die Münze etwas genauer ab. Schließlich hat er das Kleingeld zusammen und bezahlt seine Rechnung. Am Ausgang angekommen, ist David sichtlich erleichtert, wieder das Tageslicht zu sehen, auch wenn sich seine Augen anfangs nur schwer daran gewöhnen. "Das war eine interessante Erfahrung, die meinen Blick auf Blinde verändert hat", erklärt er, greift zum Stift und schreibt ins Gästebuch: "Das war echt befremdlich, sogar beängstigend, aber auch eine gute Erfahrung." So denken viele Besucher: "Es war eine tolle Erfahrung; die Blinden gaben sehr viel Wärme und Sicherheit", hat einer geschrieben. Und zu lesen ist auch: "Die Welt der Dunkelheit ist eine Welt vieler Sinneseindrücke".

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