Zwei Welten unter einem Dach

"Kulturstadt Trier" - dieser Slogan steht in Politikerreden oft für das Trierische Selbstverständnis. Doch der neue Zuschnitt des Stadtvorstands hinterlässt bei den meisten Trierer Kulturmachern das Gefühl, man werde zum fünften Rad am Wagen degradiert.

 Kultur und Wirtschaft friedlich vereint: Manchmal funktioniert das. Wie beim Theater-Festival „Maximierung Mensch“ in der Trierer Karstadt-Filiale (links). Oder bei Techonis „Wander-Blume“ vor einer Bank auf dem Kirchberg. Wie es im Trierer Stadtvorstand läuft, bleibt zunächst offen. TV-Archiv/Fotos: Hans Krämer, Friedemann Vetter

Kultur und Wirtschaft friedlich vereint: Manchmal funktioniert das. Wie beim Theater-Festival „Maximierung Mensch“ in der Trierer Karstadt-Filiale (links). Oder bei Techonis „Wander-Blume“ vor einer Bank auf dem Kirchberg. Wie es im Trierer Stadtvorstand läuft, bleibt zunächst offen. TV-Archiv/Fotos: Hans Krämer, Friedemann Vetter

Trier. Dass die Trierer Kultur-Szene unisono die gleiche Meinung vertritt, kommt eher selten vor. Doch wer derzeit bei den Akteuren nach der Stimmungslage bezüglich des neuen Wirtschafts-, Ordnungs- und Kulturdezernats fragt, stößt überall auf die gleiche Einschätzung. "Ich vermag da keine Logik zu erkennen", sagt etwa Horst Schmitt, Vorsitzender der Gesellschaft für bildende Kunst. "Was bleibt da an Stellenwert?", fragt Manfred May vom Konzertchor. "Eine zu große Event- und Marketing-Orientierung" fürchtet Stefan Philipps vom Verein "Junge Kunst". Ralf Kotschka, Kino-Aktivist und früherer Tufa-Vorsitzender, flüchtet sich in Sarkasmus: Angesichts des Trie rer Konzepts, mit der Kultur möglichst große Massen anzusprechen, passe die Kultur doch wunderbar "ins gleiche Dezernat wie die Kfz-Zulassung".

Insider aus den städtischen Kultur-Institutionen weisen auf eine andere Entwicklung hin: Das einst mächtige Kulturamt werde komplett zerschlagen. VHS und Musikschule wandern ins neue Schul-Dezernat, die Aufgaben des Kulturbüros könnten - darüber wird schon lange nachgedacht - in eine Event-GmbH ausgelagert werden. Beim künftigen Dezernenten blieben dann die "Kostenfaktoren" Theater und Stadtmuseum - und damit angesichts maroder städtischer Finanzen womöglich der Job des Sanierers und Abwicklers.

FDP-Chef Thomas Egger, ein möglicher Anwärter auf den Job, hält die gewählte Lösung dennoch für "immer noch besser als einen ehrenamtlichen Kulturdezernenten" - eine Variante, die man offensichtlich auch erwogen hatte. Zudem erhofft sich Egger durch die Nähe von Wirtschaft und Kultur im neuen Dezernat "einen sich gegenseitig befruchtenden Austausch". Im Übrigen sei "keineswegs gesagt, dass der künftige Dezernent seinen Schwerpunkt nicht bei der Kultur hat".

Skeptiker wie Horst Schmitt fürchten da ganz anderes. Angesichts der Wirtschafts-Orientierung interessiere es "niemanden, ob unser Kulturdezernent daheim altdeutsche Möbel und Bilder von Rosina Wachtmeister hat, vor zehn Jahren zuletzt in der Oper war und Fantasy-Romane liebt". Die städtische Kultur werde am Ende gar "als notwendiges Übel unter der Hand mitverwaltet".

Interessant ist, dass die meisten Kultur-Macher eine Ansiedlung der Kultur beim Oberbürgermeister und die Berufung eines Kultur-Managers außerhalb der Verwaltungs-Hierarchie durchaus positiv gesehen hätten. "Das hätte dann Gewicht gehabt", sagt der Leiter einer städtischen Kultureinrichtung und verweist auf das ähnliche "Modell Berlin".

Aber das wollte sich der OB wohl nicht ans Bein binden. So ressortiert nun alles bei der Wirtschaft. Eine Kombination, die es übrigens als bundesweit beobachtetes Experiment auch in Mannheim gibt. Mit wenig ermutigenden Ergebnissen: Zur Jahresbilanz des Super-Dezernenten beklagte sich die Wirtschaft über "mangelnde Impulse". Und die Lokalpresse höhnte, man habe den Dezernenten in Kulturkreisen längst "das Phantom" getauft - "weil man ihn nie zu sehen kriegt". Und so geht's weiter: Am Donnerstag, 17. September, endet die Bewerbungsfrist für die beiden neuen Dezernate Wirtschaft/Ordnung/Kultur und Schulen/Jugend/Soziales. Am Freitag erstellt die Stadtverwaltung eine Liste der Bewerber, die an die Fraktionen geht. Die können dann nächste Woche beraten, welche Kandidaten sie zu Vorstellungsgesprächen einladen. SPD, Grüne und FDP haben bekundet, dass sie im Rahmen eines Bündnisses gemeinsame Bewerber vorschlagen wollen. Die beiden bisherigen Amtsinhaber Bernarding und Holkenbrink (beide CDU) wollen wieder antreten, haben im Rat aber offenbar keine Mehrheit. Für das Schuldezernat hat der Grüne Reiner Marz seine Bewerbung angekündigt. Bis zu den Herbstferien dürfte feststehen, wen die Fraktionen dann Ende Oktober im Stadtrat in die Abstimmung schicken. (DiL)

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