Zwischen Eigennutz und Gemeinwohl

TRIER. (ae) Am kommenden Montag wird in Berlin der Deutsche Studienpreis 2005 der Körber-Stiftung verliehen. Im Finale um die fünf ersten Preise steht Claudia Gerhardt, eine junge Diplom-Psychologin aus Trier. Ihre Doktorarbeit, die sich mit dem Verzicht auf Vollzeitarbeit zugunsten der Schaffung neuer Arbeitsplätze beschäftigt, wurde als einer der fünfzehn besten Beiträge ausgewählt.

Die von dem Industriellen Kurt Körber gegründete Körber-Stiftung versteht sich als ein Forum für gesellschaftliche Impulse. Mit ihrem jährlich ausgelobten Studienpreis will sie neue Denkansätze junger Forscher in den Blickpunkt öffentlichen Interesses rücken. In diesem Jahr haben Wissenschaftler, im Alter bis zu dreißig Jahren, Studien zum Thema "Mythos Markt" eingereicht. Darunter, berichtet Lothar Dittmer, Geschäftsführer des Studienpreises, seien einige, die "arbeitsmarktpolitische Credos in Frage stellen oder gar widerlegen". So wie Claudia Gerhardt mit ihrer Doktorarbeit "Verzicht auf Vollzeitarbeit? Die Rolle von Moral, Eigeninteressen und Trittbrettfahren". Sie befragte 700 Menschen, ob sie zugunsten der Schaffung neuer Arbeitsplätze eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich akzeptieren würden. "Damit wollte ich das in den Wirtschaftswissenschaften verbreitete, meist aber empirisch nicht abgesicherte Denkmodell testen, dass Menschen grundsätzlich nur aus Eigennutz heraus handeln." Claudia Gerhardts Ergebnis zeigt ein komplexeres Bild: Gemeinwohl und Gerechtigkeits-Überlegungen spielen bei der Verzichtbereitschaft neben eigennützigen Motiven eine große Rolle. "Doch es gibt Barrieren, die einen tatsächlichen Verzicht behindern: Menschen unterstellen anderen sehr viel mehr eigennützige Motive als sich selbst und haben deshalb Angst, von ihrem eigenen Handeln könnten Trittbrettfahrer profitieren", sagt die Forscherin. Auch fehle das Vertrauen in Institutionen. Die überwiegende Mehrheit der Befragten zweifele, dass gespartes Geld wirklich zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet wird.Aus Interesse am Menschen

Weil ihr der Anwendungsbezug sehr wichtig sei, leite sie aus ihren Untersuchungen Empfehlungen für die politische und gesellschaftliche Praxis ab, sagt Gerhardt. Forschungen zur Gerechtigkeitspsychologie ihres heutigen Doktorvaters, Professor Leo Montada, auf die sie während der Vorbereitung auf die Diplomprüfung gestoßen war, hatten sie zu ihrem Thema inspiriert. Zum Psychologiestudium war die heute 31-jährige gebürtige Hamburgerin aus Interesse am Erleben und Verhalten von Menschen gekommen. Es führte sie ein Semester nach Schottland, hauptsächlich aber nach Trier. "In dieser Region kann ich meine romantischen Impulse ausleben", schwärmt Gerhardt, die in ihrer Freizeit Burgen und Landschaft erkundet, Gedichte und Kurzgeschichten schreibt. Sie engagiert sich ehrenamtlich für die Trierer Unicef-Gruppe, nebenbei ist sie Redakteurin der Zeitschrift "Wirtschaftspsychologie aktuell". So sehr sie sich in Trier heimisch fühlt, so bewusst ist ihr auch, nach der Dissertation an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt zu stehen: "Ich würde gerne im Beruf Fuß fassen, irgendwann auch eine Familie gründen, aber die Perspektiven sind noch offen." Vielleicht ändert sich das nach der Verleihung des Deutschen Studienpreises...

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