Der Suchtkrüppel in mir

Vor drei Wochen habe ich den vierten Anlauf gestartet, mir das Rauchen abzugewöhnen: nicht peu à peu und auch ohne die Unterstützung von Nikotinpflastern oder Spezialkaugummis aus der Apotheke. Quasi von jetzt auf gleich oder vielmehr: von heute auf morgen.



Kurz zuvor hatte man diskutiert, ob Rauchen eine Krankheit sei. Mir gefiel die Wortwahl nicht, und krank habe ich mich mit meinen Gauloises auch nicht gefühlt. Das kam erst, als ich anfing, darauf zu verzichten. Manchmal war das Schmachten so groß, dass ich freiwillig an benutzten Aschenbechern geschnuppert habe. Spätestens in diesem Moment musste ich mir eingestehen, ein Suchtkrüppel zu sein. Und gerade deshalb kann ich dem Nichtraucherschutz-Gesetz auch zum ersten Mal seit dessen Bestehen etwas Positives abgewinnen. Denn es schützt mich ein ganz kleines bisschen vor dem Suchtkrüppel in mir. Denn so ganz über den Berg bin ich nicht. Vom dritten rauchfreien Tag an habe ich Freunden, Bekannten und Kollegen erzählt, dass ich mal wieder "versuche, mit dem Rauchen aufzuhören" und jetzt "mal gucke, wie lange ich durchhalte". Bloß nicht festlegen, bloß keine Garantien geben, schließlich kenne ich mich - und erst recht den Suchtkrüppel in mir - immer noch am Besten. Und vielleicht habe ich deshalb einen bestimmten Satz noch nicht über die Lippen gebracht: Ich bin Nichtraucher. Bin ich das denn schon? Ist der Entzug vorbei? Oder - meinte zumindest ein lieber Kollege - erlebt der durchschnittliche Ex-Raucher nicht ein ständiges Auf und Ab von starken und schwachen Momenten? Warum ich Ihnen das mitteile, mögen Sie sich jetzt vielleicht fragen? Meine Antwort: Aus purem Egoismus, denn ich möchte garantiert niemanden zu irgendwas bekehren. Vielmehr hoffe ich, dass dieses "Memo an mich selbst" auf Papier gebannt den Suchtkrüppel in mir auf absehbare Zeit ein für allemal zu Fall bringt. jöl

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