Die Bürde des Amtes

Neulich war ich im Rathaus, bei der Amtseinführung von dem neuen OB. Ganz hinten hab' ich gestanden, quasi auf dem Flur. Weil das war der Platz fürs gemeine Volk wie mich, innendrin durften nur die ganz Wichtigen sitzen, die mit Amt und Würden und so.

Trotz der großen Entfernung hab' ich genau gesehen, wie die Amtskette an dem Schröer seinem Hals geblitzt hat. Dieses Riesending aus Gold, mit dem Stadtsiegel drauf, wo der Jesus dem Petrus den Schlüssel überreicht. Nein, nicht den für die Stadtkasse - das würde sich ja gar nicht rentieren, die abzuschließen. Den fürs Stadttor. Damals machte man die Stadt nämlich für Durchreisende noch zu, statt ihnen Parkhäuser zu bauen, damit möglichst viele reinkommen. Egal. Jedenfalls war der Schröer ganz stolz. Er hat richtig so Würde ausgestrahlt. Obwohl ich immer befürchtet hab', das schwere Ding würde ihn so nach vorne ziehen, dass die große Kette am Ende noch am Boden schleift. Da wird die Würde schnell zur Bürde. Trotzdem hat der Holkenbrink nebenan ganz neidisch geguckt. Der hätte die bestimmt auch mal gerne getragen. Und den hätt's bestimmt nicht umgeschmissen, bei dem Widerlager. Nur: Was macht jetzt der Jensen? - Quatsch, nicht weil der so schmal ist. Packen würde der das wohl schon. Aber der trägt ja, wenn es sich vermeiden lässt, nicht mal 'nen Schlips. Da haben die alten 68er eh nie viel für übrig gehabt. Und jetzt noch so ein monumentales, spießiges Klunker-Ding von anno dazumal für um den Hals? Ich bin echt mal gespannt, wie er aus der Nummer rauskommt. Ob die Kette für die nächsten paar Jahre im Tresor verschwindet. Oder ob ihm die Chefin vom Protokoll einfach sagt, wann er das Teil zu tragen hat. Vielleicht lässt er sie im Rahmen der stärkeren Bürgerbeteiligung ja auch rotieren. Alle vier Wochen ein "Bürger des Monats", quasi als Repräsentant der Basis, der mit der Kette durch die Stadt läuft. Also, falls es das je geben sollte: Der Viezjupp stellt sich tapfer zur Verfügung.

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