Ein Leben von der Stange

Es gibt eine Fernsehwerbung, in der zwei nicht mehr ganz taufrische Herren die Dekaden Revue passieren lassen, bis der eine erbarmungslos und seelennackt seinen größten Fehler preisgibt: Er sei zum falschen Optiker gegangen.

Jahrelang. Immer wieder. Manchmal sogar freiwillig. Eine Lebenslüge, die aus dem Dunkel der jahrzehntelangen Verdrängung ins grelle Licht der Realität gezerrt wird, wo sie zugleich zu Staub zerfällt. Am Ende bleibt nur: das Kassengestell.

Auch ich hatte eine traumatische Optiker-Kindheit. Ich bin zum Glück noch zu jung, um darüber zu schreiben. Bis dahin ist mein schlimmster publizierbarer Fehler, dass ich nie auf einem Internat war oder zumindest Dauergast im Jugendzentrum. Dann könnte ich jetzt vernünftig kickern. Würde am Kickertisch das Bällchen laufen lassen wie einst Maradona. Würde den Torhütern die Kugel nur so links und rechts in die Kiste hauen, anstatt so rumzustochern und -staken, als hätte ich meine gesamte Kindheit auf der Optiker-Couch verbracht. Zuletzt hatte ich in einer Kneipe selbst mit einem absoluten Könner an meiner Seite - mit ihm in der Offensive - ein Spiel verloren: Weil ich zwei Eigentore fabriziert habe, die selbst der kroatischen Wettmafia die Peinlichkeits-Röte ins Gesicht getrieben hätten. Mit "englischem Torwart" war es jedenfalls nicht mehr zu erklären. Warum das so wichtig ist? Das Fußball-Magazin "Bolzen" (ein Ableger von "11 Freunde") sucht die besten Kicker-Spieler Deutschlands. Die Vorausscheidungen zur (inoffiziellen) Kneipenmeisterschaft finden in Köln, München, Hamburg und Frankfurt statt. Das Finale dann im März in der wahren Metropole des Landes, in Trier. Ich werde es nicht an die Stangen schaffen, leider. Aber vielleicht ja Sie.

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