Einander besser kennenlernen

Vor einigen Tagen hat für die Muslime das große Opferfest begonnen, das mehrere Tage dauert. Es schließt gemeinsam mit dem "Großen Fastenbrechen" den Fastenmonat Ramadan ab und ist eines der höchsten Feste des Islam.

Gefeiert wird es am Ende der Pilgerfahrt nach Mekka und Medina, an der in diesem Jahr etwa zwei Millionen Muslime teilnahmen. Dabei kam es schön öfter zu panischen Szenen und zirka 250 Menschen wurden zu Tode getrampelt . Jeder gesunde Muslim, der es sich leisten kann, ist verpflichtet, wenigstens einmal im Leben an dieser Wallfahrt teil zu nehmen. Das Opferfest beginnen die Muslime überall auf der Welt mit der (rituellen) Schlachtung eines Tieres, meist eines Schafes, dessen Fleisch sie mit der Familie essen und auch an Notleidende verteilen. Das "Opfer" erinnert an Abraham, den Gott aufforderte, seinen Sohn Ismael, den "Stammvater der Araber", zu opfern. Aber dieses Opfer fand nicht statt. Gott wollte Abraham prüfen. Die Bereitschaft Abrahams genügte ihm. An der Stelle des Sohnes opfert Abraham dann ein Schaf. Die Tieropfer am Opferfest nehmen darauf Bezug. Sie sind für jeden Muslim, der es sich leisten kann, eine Pflicht. Nach der Bibel sollte Abraham seinen Sohn Isaak opfern, nicht Ismael (vgl. Gen., Kap. 22). Der Koran sieht das anders (vgl. Sure 37, 101-113). Für ihn ist Ismael, der Sohn der Hagar, der Stammvater und Hoffnungsträger. Er hat zusammen mit seinem Vater Abraham auch bereits die Wallfahrt nach Mekka begründet. Tieropfer haben - so sagt das Neue Testament - durch Jesus ihr Ende gefunden. Er hat sich selbst ein für alle Mal am Kreuz geopfert. Seither will Gott keine Tieropfer mehr. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Islam und Christentum. Nach dem Koran ist Jesus nicht am Kreuz gestorben. Einer, der ihm ähnlich war wurde gekreuzigt (vgl. Sure 4, 156). Jesus ist zwar einer unter verschiedenen anderen Propheten, aber nicht der Prophet, nicht der Erlöser, wie die Bibel ihn sieht. Immer mehr Muslime leben unter uns. Es ist gut, wenn wir uns füreinander interessieren und den Glauben der anderen Seite kennen lernen. Das kann zur Vertiefung des eigenen Glaubens und zur notwendigen Unterscheidung führen. Dass Jesus das Opferlamm, das Lamm Gottes ist, wie es in unseren Gottesdiensten heißt, ist für Muslime etwas Unvorstellbares. Josef Schönborn (Regionaldekan)

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