Eselsohren

Ich liebe Eselsohren. Wann immer ich in einem Buch einen besonders schönen Satz oder interessanten Gedanken lese, knicke ich eine Ecke um, damit ich ihn wiederfinde. Gerade habe ich ein solches Eselsohr gemacht: dort, wo der israelische Schriftsteller Amoz Oz in seiner Autobiografie wunderbar lebendig erzählt, wie er als Kind seinen Kopf durch einen riesigen Muskelprotz aus Pappe steckte, um sich fotografieren zu lassen.

So illustriert er seinen Appell: Liebe Leser, bitte fragt nicht immer, wie viel Autobiografisches in meinen literarischen Gestalten steckt. Schlüpft selbst in die Figuren, wie ich in den Papp-Riesen, und schaut, was von ihnen ihr bei euch selbst findet! Ein Gedanke, der sich prima ins "richtige Leben" übertragen lässt: Um wie viel entspannter könnte unser Alltag sein, wenn wir im spießigen Nachbarn die eigene Vorliebe für Geranien sähen. Wenn in der Wohnung der unordentlichen Bekannten vor dem inneren Auge unser Schreibtisch erschiene. Wenn wir uns beim Anblick von Johann Lafer daran erinnerten, dass auch unsere Witze ab und an daneben gehen. Und bei Dieter Bohlen - zugegeben, da wird's schwierig.Ansonsten aber sammele ich interessante Erfahrungen in den fremden Gedankenwelten. Einmal, ganz kurz, glaubte ich sogar nachzuempfinden, warum mein Allerliebster während der EM wochenlang nicht ansprechbar war. Schade, dass man solchen Momenten keine Eselsohren verpassen kann.

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