Flucht vor der Geschichte

Zum Bericht "Hindenburg soll verschwinden" (TV vom 16./17. Februar):

Binnen zwei Minuten hat das Kollegium des HGT den von seinen Vorgängern am 22. Oktober 1917 erbetenen Namen des Siegers von Tannenberg und Masuren, des Befreiers Ostpreußens von den russischen Armeen, laut TV entsorgt. Zugegeben, eines hätte dem Militär in Hindenburg daran gefallen, dieses kurz entschlossene Handeln, ohne viel zu reden und nachzudenken. Trotzdem, ein wenig Nachdenken kann nicht schaden.Gewiss, Hindenburg hat seit 1930 ein außerparlamentarisches Präsidialregime per Notverordnungen "nach rechts" geführt, für das er gerne die Unterstützung aller nationalen Kräfte gewonnen hätte. Aber die Berufung Hitlers zum Reichskanzler bzw. seine Beteiligung an einer Regierung hat er zweimal wegen dessen maßlosen Machtanspruchs abgelehnt. Berufen hat er ihn erst, als nach Papen auch Schleicher ihm die Schaffung eines autoritären Staates durch Staatsstreich vorschlug, was Hindenburg jedoch als Verfassungsbruch ablehnte. Damit waren die beiden Herren am Ende mit ihrem Latein. Mit ihrem Latein am Ende waren die demokratischen Parteien schon lange. Ihre große Koalition war im März 1930 mitten in der Weltwirtschaftskrise an ihrer Kompromissunfähigkeit zerbrochen. Auch solange sie noch die Mehrheit im Reichstag hatten, machten sie keinen Versuch mehr, eine Regierung zu bilden. Es war also das Versagen der demokratischen Parteien, das den Raum für eine präsidiale Regierung per Notverordnung freigab. Als der 85-jährige Hindenburg nicht zuletzt im Vertrauen auf Papens Versprechungen, Hitler einrahmen und seine Partei abnutzen zu können, Hitler mit der Regierungsbildung beauftragte, war der Reichstag schon lange durch eine destruktive Mehrheit von Nationalisten und Kommunisten blockiert und hatte die republikfeindliche nationale Rechte 40 Prozent der Wähler hinter sich.Der "Stolperstein" Hindenburg gäbe also Anlass zu mancherlei für Demokraten lehrreiche historische Erinnerungen. Das hastige "facelifting" des HGT-Meetings wirkt deswegen wie eine Flucht vor der Geschichte, eher als ein Produkt der Schlussstrichmentalität als des politischen Verstandes.Zwei Minuten zur Bewältigung einer komplexen Vergangenheit sind einfach zu wenig!Meinhard Lentz, Trier schule

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